Paul Auster

  • Ausgelesen: "Winterjournal" von Paul Auster.


    Wäre Paul Auster nicht bereits mein absoluter Lieblingsschriftsteller, würde er es spätestens nach der Lektüre von "Winterjournal" sein. Ein grandioses Werk voller Weisheit, Intelligenz und reichhaltiger philosophischer Betrachtungen. Eine Autobiographie der besonderen Art, denn Auster erzählt aus seinem Leben, in dem er aus der Sicht seines Körpers schreibt. Begebenheiten und Erlebnisse, die er buchstäblich am eigenen Leib erfahren hat.


    Vieles, das er berichtet, ist nicht schön, er erzählt vom Tod der Eltern, von Krankheiten, persönlichen Krisen und Unfällen in der Kindheit. Aber durch Austers wunderbar ruhigen und intelligenten Schreibstil erscheinen diese Begebenheiten eher interessant als deprimierend. Man muß diesem Schriftsteller Hochachtung zollen, dafür, dass er so freimütig über seine eigenen Fehler und intime Details aus seiner eigenen Familie schreibt...nicht viele Autoren sind so erbarmungslos ehrlich mit sich.
    Faszinierend ist der Erzählstil von "Winterjournal" auch dadurch, dass Auster (anders als in herkömmlichen Autobiographien) nicht chronologisch erzählt, sondern immer wieder zwischen einzelnen Lebensabschnitten hin und her springt, von frühester Jugend zu Gegenwart, vom Erwachsenenalter zu Teenagerzeiten, eine Art Bewusstseinsstrom, bestehend aus zum Teil recht langen Sätzen, die aber trotz ihres Umfangs niemals kompliziert sind oder gestelzt klingen.


    Er schildert akribisch seine über zwanzig Wohnsitze seines Lebens, nutzt diese Aufzählung jedoch nur, um Ereignisse zu rekapitulieren, die sich an jenen Orten zugetragen haben, Dinge, die ihn verletzt oder besonders bewegt haben. Und auch wenn viel von Krankheit und Tod die Rede ist...ein recht großer Teil des Buches ist eine immer wieder durchschimmernde Liebeserklärung an seine Ehefrau Siri Hustvedt, mit der er seit über dreissig Jahren verheiratet ist. Sein grenzenloses Glück, sie gefunden zu haben, liest man in bestimmten Abschnitten des Werkes immer wieder heraus. Auch lenkt er den Blick des Lesers auf scheinbar Alltägliches und sorgt dafür, dass dieser den eigenen Körper und das eigene Leben stärker würdigt. Auf mehreren Seiten beschreibt Auster beispielsweise detailliert, was wir von morgens bis abends mit unseren Händen tun, eine beeindruckende Aufzählung, die verdeutlicht, wie wertvoll und faszinierend ein funktionierender Körper doch ist.


    Zum Schluß (wie immer) ein großes Lob an seinen ständigen Übersetzer Werner Schmitz, dem es auch hier wieder gelingt, die poetische Sprache Paul Austers in ein wunderbar klingendes, fließendes und geistreiches Deutsch zu verwandeln.


    Fazit: Eine absolut großartige Autobiographie außerhalb der gewohnten Norm, unterhaltsam, klug, sprachlich brillant. So kann und muß Literatur sein...höchst lesbar und voller Denkweisen, die den Leser auch lange nach der Lektüre beschäftigen und ihm somit erhalten bleiben. Erstklassig.


    Bewertung: *****++

  • ist vorbestellt! da habe ich meiner frau, wir lesen die austers seit jahren gemeinsam,
    ja ne menge vorzulesen.
    freue mich riesig! :thumbup:
    danke creed fürs sofortige mitteilen! :thumbup:

  • Paul Auster über seinen Roman "4 3 2 1":


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  • Hier auch ein Video zu seinem neuen Mammut-Werk:


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    Zur Zeit lese ich von Auster: Mond über Manhattan
    Bin auf Seite 161 und bin hoch begeistert, wurde auch mal wieder Zeit ein Buch von einem meiner Lieblingsautoren zu lesen. Kann das Buch gar nicht weg legen! :)


    LG

  • Sehr interessanter Artikel, danke für's Posten, Jörg! :thumbup:


    Ich freue mich schon riesig auf das Buch, kann mich jedoch aufgrund der abnormen Seitenzahl noch nicht so richtig aufraffen...nebenbei ist mir gerade eingefallen, dass ich peinlicherweise Austers zu selben Zeit wie "4,3,2,1" erschienenes Interview-Buch noch nicht gekauft habe...wird kommenden Monat definitiv nachgeholt! :)


    Ich bin schon mächtig auf Deine baldigen Leseeindrücke gespannt, Jörg!

  • das interview-buch gibt reichlich interessante einblicke, creed.


    die seitenzahl von "4321" schreckt mich eigentlich nicht. könnte mich aber 2 x gebrauchen,
    hab hier soviel interessante bücher "rumliegen". ;)

  • Das einzige Buch das ich von Auster gelesen habe ist "Moon Palace". Das war bei uns fürs Abi die Pflichtlektüre in Englisch. Fand ich damals nicht schlecht, aber bei mir war es immer so, dass mir Bücher die ich lesen musste grundsätzlich weniger gut gefallen haben. Die New York Trilogie habe ich außerdem hier noch rumstehen.

  • habe über 300 seiten gelesen in dem buchgiganten "4321". *
    und verstehe die kritischen anmerkungen zum roman durchaus.
    jeder satz sitzt, alles ist präzise formuliert, in austers blumigkeit -
    das spielen mit den parallelwelten in denen, des protagonisten archies leben stattfindet,
    fordert konzentration vom leser.
    zwiespalt...
    irgendetwas fehlt mir jedoch bei diesem buch ...
    es macht aber riesig spaß sich in austers wortorgie zu suhlen...
    *4321 - paul auster - rowohlt, hc, 2017, 1264 seiten.
    übersetzt von: nikolaus stingl; stammübersetzer: werner schmitz; thomas gunkel; karsten singelmann.

  • eine geschichte in dem monumentalen "4321"-roman austers
    ist die von hank und frank, die der protagonist archie, ersinnt
    und damit seinen weg als schriftsteller einschlägt.
    idee, überarbeiten des textes, umgang mit kritik, unterschiedliche
    aufnahme ein und desselben textes durch verschiedene leser ...
    des autoren-brot.


    an phantasien mangelt es auster nicht, die "was wäre wenn, an dem
    punkt des lebens eine andere entscheidungen gefällt worden wäre", und
    auch sein faible für doppelgänger und dopplungen lebt der new yorker
    in diesem roman aus.
    seine sätze sitzen, überraschungen bleiben auch deshalb aus, weil der austersound
    eine gutgeölte maschine ist. alles gleichmäßig, kein rütteln, erschüttern, ---
    alles fließt dahin.ob gut oder böse, freud oder leid.
    auster ist wohl, so klingts für mich, ein satter autor geworden.