Allgemeine Bücherrezensionen...

  • "Schwarzer Mond über Soho"
    von Ben Aaronovitch habe ich neulich beendet, den zweiten Band der beliebten Peter-Grant-Reihe. Nachdem mich der erste Band in Puncto Originalität, Humor und Spannung schon auf einem sehr guten Level verkehrte, steigert sich das in "Soho" alles noch mal ein bisschen, was an mancher Stelle passt und manchmal auch etwas gewollt wirkt. Neben der Haupthandlung, die sich um Morde an Jazzmusikern dreht, und in welcher Aaronovitch auch immer wieder mit seinem großen Wissen zu dem ihm wohl sehr am Herzen liegenden Musikstil glänzt, gewinnt man einige Einblicke mehr in die Zauberwelt hinein und der Kosmos für die Romanreihe wird erweitert, Worldbuilding halt. An mancher Stelle will der Autor handlungstechnisch zu viel, und am Ende im Finale ist es dann alles ein wenig lasch und nicht mehr so geil wie beim ersten Band, aber das ist mit Ausblick auf den weiteren Verlauf der Geschichte rund um Peter und die Magie (für mich zumindest) in Ordnung. Der Witz und der flapsige Stil waren wieder komplett on point -- und somit fand ich "Schwarzer Mond über Soho" zwar nicht so super wie Band 1, schaue aber freudig auf die weiteren Bände auf meinem SuB. Denn Aaronovitchs Abenteuer versprechen auf jeden Fall leichten Spaß. gute 6/10

    Auf dem Flur hatte sich eine Traube aus Menschen gebildet. Sie schmeckte vorzüglich.


    meine Bücher 2016

  • AERA: Die Rückkehr der Götter
    von Markus Heitz beendet.
    Ich habe ein Faible für Heitz, schon seit vielen Jahren zählt er für mich zu den interessantesten deutschen Phantastik-Autoren. Ich bin ein riesiger Fan der Ulldart-Reihe gewesen als ich 13, 14 war (und bin's bestimmt immer noch), auch die großen Zwerge- und Albae-Sagen rund um das Geborgene Land waren unterhaltsam und die Welt einfach wunderbar. Heitz hat es geschafft, mich ins Shadowrun-Universum zu ziehen, von dem ich noch nie etwas gehört hatte zuvor, und mit der Judas-Trilogie und den ganzen sonstigen Dunkle-Spannung-Büchern hat er eine vorzeigbare Horror- und Mystery-Welt geschaffen, eingeläutet durch "Kinder des Judas" -- für mich immer noch sein bestes Buch von ihm und einer der besten Vampirromane, den ich je gelesen habe -- und großangelegt weitergeführt. Auch normalen Thriller kann er, hat er vor zwei Jahren mit "Totenblick" bewiesen, und auch wenn mir seine Urban-Fantasy-Ausflüge in der Drachen-Trilogie (die ja Anfang nächstes Jahres ihren dritten Band bekommt) oder das Space-Opera-Universum von "Collector" nicht so sehr zugesagt haben... man kann man durchaus einen großen Fan nennen, ja. Und da mache ich keinen Hehl draus, denn Heitz hat was besonderes, was ich bei vielen, vielen anderen Autoren aus Deutschland vergeblich gesucht habe.
    Mit "AERA" wagt er etwas neues, mal wieder erschafft er ein neues Universum und mal wieder gelingt ihm ein fesselnder, guter Roman. Heitz ist Fließbandautor, mag manch einer sagen, aber er erschafft verdammt hochwertige Ware da am Fließband und nur weniger arbeiten an diesem großen Band der massenkompatiblen Bestsellerliteratur mit so viel Spaß und Freude am Schreiben wie er, glaube ich.
    "AERA" beschäftigt sich mit einem parallelen 2012, in welchem alle Götter wiederkehren. Also: jetzt so wirklich alle. Die allseits bekannten römischen und griechischen, die ägyptischen und indischen, die man vielleicht noch kennen mag -- aber eben auch germanische, chinesische, keltische und was weiß ich nicht noch. Wirklich alle lassen sich wieder auf der Erde blicken und krempeln bis 2019 alles gehörig um. Nur ein Gott fehlt: der Eine, der Herr, Allah, Jahwe, taucht nicht auf. Die drei großen monotheistischen Religionen werden zu geächteten Sekten, und Atheisten haben's noch schwerer in dieser neuen, von Göttern überlaufenen Welt...
    Heitz erschafft dieses Szenario mit viel Liebe zum Detail und einem enormen Fachwissen auf. Er baut viele verschiedene Götter ein, und mag es manchmal vielleicht wie pures Name Dropping wirken, so hat es doch immer alles einen Sinn und man lernt auch viel über Gottheiten, die einem vielleicht vor der Lektüre so gar nichts gesagt haben. Um eine Story in diese Welt hineinzukriegen, bedient er sich eines klischeebelasteten, supercoolen Interpol-Kommissars namens Malleus Bourreau, und jeder, der versucht, diesen Charakter mit seinen Zigarren und seinem Fu-Manchu-Bärtchen ernst zu nehmen, kann nur am Roman scheitern. Mich hat er sehr unterhalten, dieser Kerl und seine fast surreale Coolness. Auch die anderen Charaktere sind relativ standard gezeichnet -- was aber die ganze Zeit auch so gewollt wirkt, denn Heitz hat mehr Lust, sich mit seiner geilen neuen Welt zu befassen als mit irgendwelchen menschlichen darin herumwuselnden Charakteren, und damit konnte ich mich beim Lesen dadurch, dass die Welt eben so gut und interessant ist... sehr gut abfinden.
    Am Ende ist "AERA" ein spannender Thriller mit einer fantastischen neuen Welt, und ich hoffe, Heitz wird da bald an einer Fortsetzung sitzen. Das Einzige, was mir dann wirklich sauer aufgestoßen ist, sind die öfters mal genannten Merkmale einer Figur (z.B., dass Malleus andauernd seine Zigarren raucht und total liebt und so) -- aber man muss beim Lesen dieses Werkes auch an mancher Stelle kurz mal daran denken, dass die ursprüngliche Veröffentlichung vorm gedruckten Buch ja in 10 kleinen E-Book-Episoden passierte, was ein paar Wiederholungen eigentlich ganz sinnvoll macht, wenn man alle zwei Wochen oder so eine Folge "AERA" zu lesen bekam...
    Naja, auf jeden Fall: unterhaltsam, coole neue Welt und guter, flüssiger Stil. 7,5/10

    Auf dem Flur hatte sich eine Traube aus Menschen gebildet. Sie schmeckte vorzüglich.


    meine Bücher 2016

  • ausgelesen:
    stanislaw lem (1921-2006) "das hohe schloß"
    suhrkamp, tb, 1990, übersetzung: caesar rymarowicz, 164 seiten.
    original: wysoki zamek (1968).
    "doch wozu wurde dem menschen der verstand gegeben ?" s.lem.
    die kindheit und jugend, sowie seine militärausbildung lässt der polnische kult-
    sf-autor aufleben. er erweist sich schon da als kauz, er war bei allem beobachter, tüftler,
    technikfreak, konstrukteur und ein ureigener nerd.
    wer seine wissenschaftlichen sf-werke liebt taucht in diesem erinnerungsbuch
    in die anregungswelt lems.

  • Marisha Pessl - Die amerikanische Nacht


    Es geht um die Tochter eines mysteriösen und sehr öffentlichkeitsscheuen Regisseurs, der verstörende Filme gedreht hat und seine Mitarbeiter/Angestellten einem strengen Schweigekodex unterzog. Nachdem seine Tochter Ashley (anscheinend) Selbstmord begangen hat, versuchen ein paar Leute, der Sache auf den Grund zu gehen.


    Ein sehr faszinierendes Buch, das mir viel Lesevergnügen bereitet und einen tiefen Eindruck hinterlassen hat. Die Geschichte wird aus der Sicht eines Journalisten erzählt, aber die eigentlichen Hauptfiguren sind Ashley und ihr Vater, der Regisseur Stanislas Cordova (bei ihm musste ich an eine Mischung aus David Lynch, Gaspar Noe nd Alfred Hitchcock denken). Diese Filmwelt als Kulisse für das Buch fand ich sehr ansprechend; hier wird Realität mit Fiktion vermischt, indem die realen Filme, Schauspieler und Regisseure in einem Atemzg mit den erfundenen genannt werden.
    Wie schon "Die alltägliche Physik des Unglücks", ist auch dieses Buch in einem hervorragenden Schreibstil verfasst und die Charaktere sind sehr lebendig und interessant. Marisha Pessl verwendet zwar einige klassische Elemente des Crime Noir (wie zum Beispiel die Frau in Rot), bringt aber auch viel Eigenes rein.
    Trotz der Länge von 800 Seiten habe ich mich an keiner Stelle gelangweilt; je weiter ich las, umso mehr war ich von dieser Geschichte gefesselt.
    Gehört zu den besten Büchern, die ich in diesem Jahr gelesen habe.

  • TEATRO OSCURA
    Jörg Kleudgen
    Cthulhu Libria
    254 Seiten
    25,-- EUR


    Der Genuss dieses Buches beginnt bereits beim Auspacken:
    Absolut vorbildlich in einem stabilen Pappkarton eingesperrt. Man merkt sofort, dass verhindert werden musste, dass dem Inhalt ein Leid geschieht. Der Box entrissen ist es dennoch kaum erkennbar, geheimnisvoll in Frischhaltefolie eingeschlagen. Man weiß, auch dieses Exemplar wurde vom Chef persönlich verpackt. "Wrapped In Plastic" erinnert es mich an die Leiche von Laura Palmer in TWIN PEAKS. Wie ein Forensiker mache ich mich daran, den Inhalt zu entblättern. Jederzeit in Erwartung herausfallender Maden oder schlimmerem...
    Dann liegt es endlich in seiner ganzen Pracht vor mir. Farbig, freundlich der Schutzumschlag. Das Unheimliche weiß sich zu tarnen. Gebunden mit Goldprägung auf dem Buchrücken und Lesebändchen der Inhalt. Edel, wunderschön und höchst professionell. Das Produkt eines Bibliophilen für Bibliophile. Ich empfehle jedem sich die Geburtsstätte anzusehen:


    https://www.facebook.com/Cthul…509935620/?type=3&theater


    Zuerst befiel mich Panik, als ich das Buch aufschlug und weder die Limitierung auf 100 Exemplare noch die Signaturen von Autor und Illustrator entdecken konnte.
    Beides verbirgt sich am Ende des Buches. Nicht das Einzige, was sich zwischen den beiden Buchdeckeln verbirgt. Nicht das Einzige, was es zu entdecken gilt.


    Es ist lange her, dass ich etwas von Jörg Kleudgen gelesen habe, bestimmt an die 25 Jahre. Damals fand ich die Geschichte/n um/aus R´LYEH, interessant aber auch sperrig und trocken. Nunja, ich bin älter geworden, Jörg Kleudgen auch. Vielleicht war ich damals noch nicht alt genug. Eventuell waren die Geschichten Kleudgens damals noch nicht reif genug. Möglicherweise war in diesem speziellen Falle auch die Überarbeitung der beiden ursprünglichen Stories DER NACHTMAHR und DIE RÜCKKEHR DES NACHTMAHRS, die Ende der 90er in der Goblin-Press erschienen, zum zusammenfassenden TEATRO OSCURA ein Segen. Das Resultat weiß jedenfalls zu begeistern.
    Nur langsam baut sich die erwartete Atmosphäre auf. Die beiden Erzählebenen beginnen sich zu verweben. Sie wachsen zusammen. Genau wie der Protagonist immer weniger zu unterscheiden vermag zwischen Traum und Realität, kann der Leser die Erzählebenen immer weniger trennen. Die Zeit der Handlung bleibt ebenfalls verschwommen, spielt auch keine Rolle. Gleichzeitig wird es immer morbider. Das können auch die farbigen Illustrationen Heiko Schulzes nicht verhindern. Sie geben dem Kopfkino ein Bild und erinnern mit ihrer durchschimmernden Leinwand an Haut, wirken organisch, lebendig. Eine Szene der Geschichte erinnerte mich an INFERNO, den mir liebsten Argento. Eindeutig ein Buch für trübe Herbstnachmittage, in denen der Regen ölig am Dachfenster heruntergleitet und der Verfall durch die Straßen weht. Man ist gut beraten, die Tür nicht zu öffnen, um ihm keinen Einlass zu gewähren.

    Bücher 2015


    Wird momentan gelesen:


    Tony Ballard 29 - Im Namen des Bösen - Morland, A.F.


    1.Satz: "Kevin Madigan und Amy Doorman schlenderten Hand in Hand durch den großen, düsteren Park."

  • "Ein Wispern unter Baker Street"
    hat Spaß gemacht, noch mal mehr als der vorhergegangene Band der Peter-Grant-Reihe. Sehr kurzweilig, humorvoll und bissig wie immer im Erzählton und mit stetig neuen Ideen und diesmal sogar ein bisschen mehr Einblick in die Charaktere -- super Sache. Ben Aaronovitch war schon bei "Flüsse von London" gut, aber diese Reihe wirkt in ihrem Verlauf bis jetzt so, dass er sich sprachlich und stilistisch echt von jedem Band zum nächsten steigert.
    Mittlerweile sind mir die Leute aus dieser Reihe wirklich ans Herz gewachsen, freue mich auf mehr :thumbup:
    Aufgefallen ist mir noch, dass A. hier vielleicht ein bisschen versucht hat, mehr Leute zu treffen, seine Zielgruppe zu erweitern... denn die beiden Vorgänger waren doch noch ein bisschen blutiger und gerade der zweite Band ziemlich "sexy" -- aber das macht's ja nun mal nicht schlecht, "Baker Street" las sich nur ein bisschen mehr als Jugendbuch-Erwachsenenbuch-Spagat. Trotzdem cool! 7/10

    Auf dem Flur hatte sich eine Traube aus Menschen gebildet. Sie schmeckte vorzüglich.


    meine Bücher 2016

  • Ausgelesen: "Der Horizont" von Patrick Modiano.


    Patrick Modianos Bücher sind sehr schwer zu rezensieren. Ich finde sie großartig, doch wenn dann andere Leser aufgrund meiner Kritik ein Werk dieses Schriftstellers zur Hand nehmen, werden die meisten denken: Mein Gott, diesen langweiligen Schmonz findet der gut?


    "Der Horizont" widmet sich wieder Modianos Hauptthemen...der Vergangenheit, dem Suchen und Nachforschen der verlorenen Jugend, Erinnerung. Wie immer ist auch dieses Buch voller Tristesse, umständlicher und leicht verschachtelter Handlung und einer gehörigen Portion Melancholie. Der Protagonist trifft in den 60er Jahren in Paris bei einer Demonstration eine junge Frau, an deren Seite er die nächsten Monate verbringt. Dann verläßt die Frau bei Nacht und Nebel das Land und er hört nichts mehr von ihr. 40 Jahre später erkundet der Protagonist das heutige Paris auf den Spuren seiner Vergangenheit.
    Dieser an sich simple Plot wird in Modianos typischem Stil erzählt...sachlich, sprachlich elegant, ruhig, unaufgeregt, traurig und anheimelnd zugleich. Mir gefällt seine Prosa sehr, sein sparsamer Gebrauch der Sprache.


    Hat Patrick Modiano den Literaturnobelpreis (er erhielt ihn im vergangenen Jahr) verdient? Viele werden sagen: Wofür? Für diese tristen, sich immer gleichenden Plots?
    Ich kann die Frage nicht beantworten, ich bin lediglich Leser, kein Literaturprofessor und kein Mitglied der Nobelpreisjury. Ich kann nur sagen, ich mag Modianos Bücher sehr, ich mag den sanften Sog, den seine Geschichten in meinem Kopf entwickeln. Wer dies nachvollziehen kann, wird mich vielleicht verstehen, aber ich wiederum kann auch durchaus nachvollziehen, dass man Modianos Werke stinklangweilig und schnulzig findet. Jeder muß sich sein eigenes Urteil bilden, was natürlich für sämtliche Bücher dieser Welt gilt.


    Fazit: Traurig, nüchtern, aber auch voller Poesie...das offene Ende läßt herrlich Raum für eine eigene Interpretation der weiteren Geschehnisse um die Protagonisten. Weitere Modiano-Bücher werden bei mir folgen...garantiert.


    Bewertung: *****+

  • "Vom Fressen und gestorben werden" - James Henry Burson


    Was passiert, wenn man tote Schweine, an denen man Versuche durchgeführt hat, um das Fleisch länger haltbar zu machen, beim Metzger seines Vertrauens abliefert, erzählt
    diese Kurzgeschichte.
    Erst wundert sich der Burgerbrater über ständig blutende Finger, obwohl er nicht mit Messern hantiert, dann holt sich ein kleiner Junge eine blutige Lippe und am Ende eskaliert das Ganze natürlich.
    Mit 32 Seiten ist man schnell durch, trotzdem schaffte sie es, mir ein kleines bösartiges Grinsen aufs Gesicht zu zaubern.


    4 von 5 Sternen :)



    "Morgendämmerung" - A.M. Arimont


    In der Kürze liegt die Würze...
    Auf gerade mal 14 Seiten wird man in einen blutigen Albtraum entführt und dabei fängt alles so harmlos an, an einem strahlenden Morgen in einer namenlosen Kleinstadt.
    Der Zeitungsjunge fährt die Zeitungen mit dem Fahrrad aus, der Nachbar führt den Hund Gassi und im Keller wartet wie jeden Morgen das doch etwas außergewöhnliche Hobby...


    Auch hier vergebe ich 4 von 5 Sternen, hätte gern noch ein wenig mehr gelesen...

    Ja jetzt bin ich nicht mehr wie früher
    aber das find' ich ganz okay
    denn ich hab' alles hinter mir gelassen
    was mich aufhält
    und jetzt bin ich nicht mehr wie früher
    ja, vielleicht wirkt das arrogant
    doch vielleicht haben wir uns all die Jahre
    nie wirklich gekannt.


    2 Mal editiert, zuletzt von Virginy ()

  • "Kalter Schuss ins Herz"


    Wallace Stroby. Crissa Stone ist jung, attraktiv und ein knallharter Profi. Ihr Geld macht sie mit Raubzügen. Crissa bekommt einen Job angeboten, bei dem sie
    mit zwei Komplizen eine Pokerrunde überfallen soll. Eine leichte Nummer, wenig Aufwand, sehr viel Geld. Der Auftrag läuft aus dem Ruder:
    Plötzlich fällt ein Schuss und einer der Pokerspieler wird getötet. Als sich herausstellt, dass der Tote der Schwiegersohn eines Gangster­bosses
    ist, wird die Lage für Crissa gefährlich. Der Boss engagiert Eddie den Heiligen, einen skrupellosen Verbrecher und eiskalten Killer, um den
    Ermordeten zu rächen. Crissa taucht unter, aber Eddie hat sie in der Hand. Er weiß, für wen Crissa ihr Leben riskieren würde. Sie weiß, es
    gibt nur eine Lösung.


    Crissa Stone hat gerade erst mit Komplizen einen Coup durchgezogen, der nicht optimal verlief. Die Höhe der Beute
    hat nicht einmal im Ansatz das ergeben, von dem zu Beginn gesprochen wurde. Kaum zu Hause wird die Meisterdiebin von ihrem Kontaktmann zu
    einer vertraulichen Unterredung gebeten und erfährt, dass ein neuer Job in Aussicht ist. Da sie das Geld auf jeden Fall braucht, gerade nach dem
    letzten Flop, hört sie sich die Sache an. In Florida soll bei einem illegalen Pokerspiel ein siebenstelliger Betrag auf den Tisch kommen und
    das wäre schon mal eine Hausnummer. Sie soll sich mit ihren Partnern an einem abgelegenen Ort treffen. Sie ist erstaunt, dass zusammen nur zu
    dritt an die Sache herangehen werden, hat aber zumindest mit den zwei Kollegen schon mal gearbeitet und kennt sie als zuverlässig, Stimmer
    ebenso wie Chance. Während das Trio also den Coup vorbereitet, wird Eddie, der Heilige, von seinem ehemaligen Kompagnon vor dem Knast
    abgeholt, in dem Eddie einige Jahre sein zu Hause hatte. Der junge Kerl scheint immer noch auf Droge zu sein, was Eddie ihm austreiben will, da
    er einen Komplizen braucht, der seine Sinne beisammen hat. Doch zuerst will Eddie bei einem früheren Auftraggeber vorbeischauen, der das Geld
    aus dem letzten Coup, für den Eddie auch eingesessen hatte, für ihn anlegen sollte. Wie das mit der Gier halt mal so ist, hat der Typ nicht
    so ganz koscher gearbeitet und als Eddie und der junge Terry dann wieder gehen, bleibt eine Leiche zurück. Danach kommen sie zu Terrys
    Unterkunft, in der Eddie erst einmal auf seine Art für Ordnung sorgt, bevor es weitergeht zu Tino, einem der Bosse für die Eddie früher
    gearbeitet hatte. Unterdessen startet in Florida der Raid und alles sieht gut aus, auch wenn das Geld gerade mal die Hälfte des
    ausbaldowerten Betrages ausmacht. Die Spieler und Kartengeber sind verhältnismäßig ruhig und vernpünftig und riskieren nicht ihr Leben für
    schnödes Geld. Doch als sich Chance und Stone auf den Weg nach draußen begeben, fällt plötzlich ein Schuss und einer der Spieler ist dann doch
    tot. Stimmer hat ihn umgelegt, weil er nach einer Waffe gegriffen habe. Und das ist der Startschuss für ein Dilemma größeren Ausmaßes, in das
    Crissa Stone nun gerät. Der Tote ist zwar nicht mehr am Schnaufen, aber deswegen immer noch der Schwiegersohn von Tino. Und weil der gerade mit
    Eddie konferiert, als die Nachricht von der Ermordung seines Schwiegersohnes eintrifft, beauftragt er den gleich damit, die Sache in
    seinem Sinne zu regeln. Es geht schließlich um die Familie. Und Eddie hat genug Erfahrung und Ansätze, um Stone und ihre Komplizen in große
    Schwierigkeiten zu bringen. Der Kampf ums Überleben startet für Crissa und Co. jetzt!!


    Kurz gesagt - DIE Hardboiled-Überraschung des Jahres und nach einigen Festas und Luzifers sowie meinem Action-Allheilmittel Martin Kay
    zu einem meiner Lieblingsbücher 2015 aufgestiegen (die Amerikaner, die lesen können, durften das schon 2011 genießen, so sie das Geld für ein
    Buch ausgegeben haben). Crissa Stone ist wie Parker (Westlake/Stark) oder Wyatt (Disher) ein Profi im unehrlichen Geschäft. Sie agiert kühl, berechnend und mit
    ausgeklügelten Plänen, hält sich privat bedeckt und geht kaum eine Beziehung ein, die etwas wie Dauer beinhaltet wie sie der zugelaufenen
    Katze erklärt: Es war nett, solange es dauerte, aber jetzt musst du gehen. Einzig ihr Mentor und Lover Wayne sowie ihre Tochter Maddie
    bedeuten ihr etwas nur für die Beiden arbeitet sie überhaupt. Maddies Erziehung zu finanzieren, während diese bei Crissas Cousine
    untergekommen ist und diese auch für ihre Mom hält und Wayne auf Bewährung aus dem Knast zu holen, sind ihre Motivation. Beides nimmt
    viel Kohle in Anspruch und gerade der Anwalt in Texas, wo Wayne einsitzt, kassiert kräftig. Stone ist eine Diebin mit Herz, aber nicht
    zuviel. Das Wenige wird nur an ihre Lieben vergeben, andere sollen ruhig sehen, wie sie zurecht kommen. Wallace Stroby
    lässt auch eine menschliche Seite bei seinen Verbrechern erkennen, ist aber wie seine Vorbilder äußerst sparsam im Stil und konzentriert sich
    absolut auf das Nötigste. Stone ist eine Frau, die es den Kerlen nicht zeigen muss, wie tough sie ist. Sie ist sozusagen eine "Kollegin", die
    ihren Job ebenso verrichtet wie die Kerle. Punkt, aus, Ende. Keine Sperenzchen, wie man sie in anderen Werken so oft liest. Die Geschichte
    ist straff erzählt, in knappen Dialogen und nimmt mit Fortlauf der Story auch an einer gewissen Härte und Eiseskälte zu. Das Finale hat es in
    sich. Stroby kommt direkt auf den Punkt und leistet sich keine "schwaflerischen" Mätzchen, die seinen
    ersten Roman um Crissa Stone auch nur ansatzweise ausbremsen könnten. Und Eddie? Der ist dann so etwas wie der Gegenentwurf zur Protagonistin.
    Wo sie cool und ohne Mätzchen oder übertriebene Gewaltanwendung ihr Ding durchzieht, glaubt der wohl, dass ihm die Menschheit für seinen
    Knastaufenthalt etwas schuldet und erfreut sich an seiner Killertour durch das Land und seinem Spaß am Töten. Und doch scheint auch in ihm
    ein kleiner Rest Menschlichkeit hin und wieder aufzuflackern. Er ist nicht nur böse und abgrundtief schlecht, wie man später bei Terry
    feststellen kann. So wird "Kalter Schuss ins Herz" zu einem perfekten Hardboiled-Thriller mit durchaus differenzierten und
    gut gezeichneten Charakteren, die auch etwas Emotion (nicht zuviel allerdings) neben der Kälte, mit der sie ihre Verbrechen ausführen,
    zeigen können und wie Stone auch so etwas wie Ganovenehre haben. Eddie verfällt in seinen Blutrausch, dem sich Stone gegenüber sieht
    und sich selbst nur mit einer Erfahtrung retten kann, die sie niemals machen wollte. Der Autor geht hier kurz und schmerzlos seinen schnellen
    Weg, steigert die Spannung in einer Story, die man aus den Vorbildern durchaus schon kennt, immer weiter und hetzt den Leser zu einem
    klassischen Showdown, der dann auf einige Erkenntnisse folgt, die den Leser zwar nicht so wirklich, dafür aber die Protagonistin überraschen.
    Es werden zumindest schon mal ein oder zwei Haken geschlagen. Schnell, kritisch (New York, Gier allgemein und auch die Wirtschaftskrise
    erhalten etwas "Aufmerksamkeit" in Nebensätzen), kühl und ausgeklügelt. Um zum Anfang meines Fazits zurückzukommen: Hardboiled at its best. Und
    es gibt noch eine Steigerung, denn von Crissa Stone gibt es bis dato in den USA noch drei weitere Abenteuer, die der Pendragon-Verlag
    hoffentlich auch in deutscher Übersetzung bringt. Ich fordere den Verlag geradezu auf, mit der Veröffentlichung meinen Obulus
    einzukassieren. Ich will MEHR davon!!!! Wer Parker schreit, muss auch Stone sagen. Für Freunde der Hardboiled-Literatur eigentlich eine Pflichtanschaffung.

    The water in my whisky is the poison in my brain