Allgemeine Bücherrezensionen...

  • Ausgelesen: "Sommerdiebe" von Truman Capote.


    Das Manuskript dieses Romans, Capotes Debüt, galt jahrzehntelang als vernichtet, vom Autor selbst zerrissen, weil er mit dem Endergebnis angeblich nicht zufrieden war. 2004 erhielt das Auktionshaus Sotheby's ein Paket mit Briefen und Notizen. Es stammte von einem Hausmeister, der seinerzeit von Truman Capote gebeten worden war, dessen Müll, der sich bei seinem Umzug angesammelt hatte, zu entsorgen. In diesem Paket befanden sich mehrere Schreibhefte, die das Manuskript von "Sommerdiebe" enthielten. Der Roman wurde auf seine Echtheit überprüft und ein Jahr später als literarische Sensation veröffentlicht.


    "Sommerdiebe" handelt von der 17-jährigen Grady McNeil, deren Eltern über den Sommer nach Europa reisen. Grady bleibt im heißen New York zurück, verliebt sich in einen Jungen, der weit unter ihrem sozialen Stand lebt und genießt den Sommer voller Unabhängigkeit und fern von gesellschaftlichen Konventionen. Doch dieses jugendliche Aufbegehren zieht dramatische Konsequenzen nach sich...


    Das Buch liest sich wunderbar und es wirkt sprachlich erstaunlich erwachsen, wenn man bedenkt, dass Capote bei Beginn der Niederschrift gerade mal 19 Jahre alt war. Es ist psychologisch ausgereift und wartet mit lebendig geschilderten Charakteren auf. Lediglich bei einigen der zahlreich verwendeten Metaphern schießt er etwas über das Ziel hinaus, diese gelangen ihn erst in späteren Jahren perfekt, hier sind sie stellenweise zwar hervorragend, aber zu häufig angewendet. Nichtsdestotrotz ist Capotes wahres Romandebüt ein unterhaltsames, nachdenklich-tragisches Werk, das bereits zeigt, welches ungeheure erzählerische Potential in diesem Autor steckte.


    Fazit: Lesenswerter erster Roman des großen Schriftstellers...sprachlich schon sehr ausgereift und mit dramatischem Finale ausgestattet.


    Bewertung: *****

  • "The Black" von Paul E. Cooley.


    Ich sollte vielleicht vorher erwähnen, dass der Luzifer-Verlag meiner Meinung nach die Coverbilder von The Black und Tidal Grave vertauscht hat.
    The Black spielt komplett auf einer Bohrinsel bzw am Boden eines tiefen 30000 Fuß tiefen Grabens. Dort wurde ein Ölfeld gefunden, so groß wie Saudi-Arabien.
    Das 367 Seiten lange Buch besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil ist mehr oder weniger die Vorbereitung auf den Horror. Es werden Charaktere eingeführt, viel über Technik geredet und auch die erste Bohrung vorgenommen um an das Öl zu gelangen. Doch irgendwas stimmt nicht mit dem Öl. Auch am Boden scheint nicht alles mit rechten Dingen vorzugehen.
    Im zweiten Teil geht es dann richtig zur Sache. Und die angedeuteten Beziehungen zu den Filmen Leviathan und Das Ding aus einer anderen Welt passen schon zum Teil. Aber es gibt noch einen Bezug zu einer Verfilmung von Koontz.


    Wer mit solchen Techno/Horror-Thrillern wie zb von Preston/Child was anfangen kann, der wird sich mit dem Buch sicherlich wohl fühlen. Die Charaktere sind recht Stereotyp aber das ist zu vernachlässigen. Als Informatiker musste ich aber schon über so manche Stelle schmunzeln, da nicht wirklich realistisch. (Ich weis: jammern auf großem Niveau). Was mir nicht so gut gefallen hat war, dass einige Fragen offen geblieben sind und eine Idee nicht weiterverfolgt wurde. Schade eigentlich. Auch wurde oft zwischen den Vornamen, Nachnamen und Spitznamen einiger Charaktere gewechselt. Das verwirrt manchmal.


    Im Ganzen war ich gut unterhalten, aber auch nicht mehr. Daher würde ich selbst 3,5 von 5 Punkten geben.

  • karin kersten & caroline neubaur (hrsg.):
    "grand guignol. das vergnügen, tausend tode zu sterben. frankreichs blutiges theater."

    --- wagenbach, tb 1976. 126 S. mit s/w-fotos. und illustr.


    1974 habe ich ein interview mit alice cooper gelesen, in welchem er auf die
    frage nach der quelle der inspiration seiner bühnenshows, angab: das pariser theater
    grand guignol. - das klang faszinierend.
    hab im laufe der jahre dazu viele artikel gelesen, jetzt aber endlich auch dieses buch des wagenbach-
    verlags, eines der wenigen bücher auf deutsch über dieses horror-mysterium.
    diese extreme bühne, welche von 1897 bis 1962 existierte, die den "offenen blick ... auf die angst
    und der kunst, ihr mit spiel zu begegnen" ,wagte.
    leider ist vieles an dokumenten über das kleine theater verlorengegangen.
    hier werden zeitungsberichte, plakate, fotos, inhaltsangaben und stücke grausiger
    theaterstücke ("er zerteilte die patientin mit schwindelerregender virtuosität.")
    gesammelt. es kommt der chefautor, ein poe-fan, andre de lorde (1871-1942), zu wort.
    reizvoll für fast jeden horrorfan.
    berühmt war dort die "fürstin des entsetzens" paula maxa (1898-1970), die alle vorstellbaren
    bühnenmorde und vergewaltigungen, vor dem geneigten, aber entsetzten publikum, erlitt.


    robert walser, heinrich mann, psychologen, philosophen kommen zu wort, es werden
    caligari, freud, poe usw., zwecks erfolgs-erklärung, bemüht.
    horror hat viel mit masken zu tun, das symbol des theaters ist die lachende und weinende
    maske. das erklärt, finde ich, einiges.
    starkes buch! :thumbup:

  • Jeff Strand. Dieses Ding wird dir eine Heidenangst einjagen, oder nicht? Du wirst lachen. Du wirst schreien. Okay … vielleicht wirst du nicht gerade
    schreien, es sei denn, du hattest bereits vor dem Lesen Anlass dazu, aber du wirst erschaudern und ein wenig erschrecken.


    Ein Mann findet eine Nase auf dem Teller. Eine Glocke mit der Satan herbeigerufen werden kann (vielleicht). Legere Kleidungsvorschrift an Freitagen, die
    außer Kontrolle gerät. Eine fröhliche Aussicht auf die post-apokalyptische Landschaft. Die letzten Gedanken eines todgeweihten
    Fallschirmspringers. Ein Mädchen, welches zur Strafe neben Omas Leiche schlafen muss. Eine Tarantel, die als Racheakt in eine Torte eingebacken
    wird. Eine Romanze zwischen zwei genetisch veränderten, fleischfressenden Pflanzen. Und eine verlorene Geschichte über Fangboy.


    Meine Erwartungen an dieses Buch waren hoch, sehr hoch. Schließlich hatte mich der Autor schon mit seinen bisher erschienenen Büchern der Andrew
    Mayhem-Reihe (Ein viertes steht als deutsche Veröffentlichung noch aus, wobei der nette Herr Verleger diese Anmerkung durchaus auch als
    Aufforderung begreifen darf.), "Fangboys Abenteuer" oder "Der unglaubliche Mr. Corpse" und "Benjamins Parasit" jedesmal vollauf
    begeistern können. Und enttäuscht wurde ich auch nicht. Jeff Strand bietet alles auf, was ihn und seine Storys so beliebt macht. Humor,
    manchmal brachial, aber oft auch nur durch seine Sprache, seine Formulierungen, die mindestens ein Schmunzeln, oft aber auch ein Lachen
    beim Leser hervorlocken können. Aber hin und wieder kommt es tatsächlich vor, dass er in seinen absurden Situationen ein Happy End verweigert,
    einem als Leser der brüllende Lacher fast im Halse stecken bleibt. Ja, er kann sogar mehr als nur ab und zu etwas Moral, was zum Beispiel
    Rachegelüste oder zuviele Freiheiten angeht, unter seine Komik mixen, ohne aber dazu diesen nervig-mahnenden Zeigefinger zu erheben. Und
    gewisse Erinnerungen an Filme kann er mit "Schmatz, schmatz" ("Ein Herz und eine Krone" in Rom) oder in "Der Knopf" ("The box" mit Cameron Diaz)
    wecken, natürlich mit einem völlig veränderten Ablauf, einem nach Strand-Art. Mal einfühlsam wie in der verlorenen Geschichte um Fangboy,
    aber auch mal fies und böse, angereichert mit einigen Litern Blut, erzählt der Autor zumeist aus der Ich-Perspektive 29 nahezu erstklassige
    und manchmal sehr kurze Geschichten. Haarsträubend, gruselig, aber immer humorvoll, kurzweilig und abwechslungsreich seine Stories, deren
    jeweiliges Ende nicht immer wie erwartet verläuft. Mit einem kleinen Fanboy-Bonus gibt es hier die volle Punktzahl. Die erhält aus den
    gleichen Gründen auch der Illustrator des Covers für sein Selbstporträt "Irrer Clown im Topf". Die gelungenen Innen-Illustrationen von Christian
    Krank sollen aber nicht ungelobt bleiben. Wer ein Freund der bisherigen Werke von Jeff Strand ist, sollte sich diese Investition gönnen -
    unterhaltsamer als die Schreiben der Steuerbehörde oder der immer mal wieder eintrudelnden Rentenbescheide, wieviel man denn im Alter nun doch
    nicht bekommt, ist es allemal. Und bevor man bei den Gierbänkern staatlich geförderte Strafzinsen zahlt, lieber das Buch von Jeff Strand
    gekauft. Der Verlag Voodoo-Press ist so nett und hat noch welche auf Vorrat, die er geneigten Kunden gegen den erwarteten Obolus gerne
    abgibt.

    The water in my whisky is the poison in my brain

    • Offizieller Beitrag



    Wären die im Thread zu den Festa-Rezensionen nicht besser aufgehoben?
    Zumal ich denke, dass der Link in einem Thread langt. Entweder bei den Autoren oder Rezis...doppelt muss nun wirklich nicht sein ;)

  • Ja, ka, weiß immer nicht, wo ichs am dümmsten reinstelle, bei 3 Auswahlmöglichkeiten, aber du hast schon recht, zu Festa paßts auf jeden Fall besser als in den allgemeinen^^

    Ja jetzt bin ich nicht mehr wie früher
    aber das find' ich ganz okay
    denn ich hab' alles hinter mir gelassen
    was mich aufhält
    und jetzt bin ich nicht mehr wie früher
    ja, vielleicht wirkt das arrogant
    doch vielleicht haben wir uns all die Jahre
    nie wirklich gekannt.


  • Ja, ich penne halt manchmal, du weißt doch, das Alter. (Gut, dass das immer als Ausrede für alles geht^^)
    Kannst es von mir aus gerne verschieben^^

    Ja jetzt bin ich nicht mehr wie früher
    aber das find' ich ganz okay
    denn ich hab' alles hinter mir gelassen
    was mich aufhält
    und jetzt bin ich nicht mehr wie früher
    ja, vielleicht wirkt das arrogant
    doch vielleicht haben wir uns all die Jahre
    nie wirklich gekannt.


  • fjodor sologub: der vergiftete garten.phantastisch-unheimliche geschichten. :thumbup:
    buchverlag der morgen, ddr, hc, 1988. übersetzung aus dem russischen: eckhard thiele, christa ebert u. hans loose.
    mit 15 illustrationen von sabine seidemann. - nachwort: eckhard thiele.
    17 erzählungen - 352 seiten.


    es beginnt mit einem weißen cover und der darauf befindlichen geheimnis-schönen
    zeichnung und verführt mit 17 großartigen erzählungen: sologubs erzählband.
    die spannbreite reicht von traumreichen, menschliches leiden, kreuzrittern, ausgelieferten kindern
    bis gothic-gefühlen. immer sitzt jedes traumtrunkene wort, der russische symbolist
    fjodor sologub ( 1863-1927 ) verführte mich als leser, man ist wie im bann, den ausgang
    der geschichten zu erheischen. --- unbedingte lese-empfehlung!
    meine fünf liebsten geschichten:
    1. der kleine mensch
    2. in der menge
    3. jenseits des meirur
    4. der vergiftete garten
    5. der knabe linus.

  • Zettelkasten
    ist eine 1994, nicht weit entfernt von Endes durch ein Magenkrebsleiden verursachtem Tod erschienene Sammlung von (so sagt's der Untertitel) "Skizzen und Notizen". Nun mag man vielleicht bei dieser Art Zusmamenstellung an noch ein bisschen schnelles Geld vor dem Dahinscheiden denken, natürlich, Verlage finden so was immer toll und gerade nach dem Tod dürfte sich das Werk ja Bombe verkaufen.. aber der "Zettelkasten" (aus jahrzehntelang angesammeltem Archivmaterial zusammengestellt vom Ende-Vertrauten und -Herausgeber Roman Hocke, der aus gleichem Material einige Jahre später auch noch den posthumen Band "Der Niemandsgarten" erstellte und auch ein sehr gutes Vorwort beisteuert) bietet, weshalb auch immer veröffentlicht wurde, eine erstaunliche Bandbreite an Lesematerial.
    Im "Zettelkasten" sind fertige Kurzgeschichten und Kurzgeschichtenskizzen und -anfänge, Gedichte/Balladen/Lieder/Aphorismen, manchmal mehr, manchmal weniger detailreiche Romanplots (z.B. für einen dystopischen SF-Roman) und auch tagebuchartige Notierungen und philosophische Exkurse versammelt. Im Vorwort stellt Hocke klar, dass er einen möglichst breitgefächerten Einblick in Endes Aufzeichnungen, in den großen Vorrat von Schubladen- und Schreibtisch-Material geben, dass er möglichst jede Phase und Gattung und Form mal irgendwo im Lesebuch präsentiert haben wollte. So liest man kindgerechte Geistergeschichte neben Gedanken über das wiederkehrende Vorkommen von Schildkröten in Endes Büchern, Ausführungen über Philosophie oder Kunst oder beides neben düsteren Poemen, surrealistische WTF-Story neben skurrilem Zirkussketch... und nicht alles in diesem Buch hat mir gefallen, doch die großartige Abwechslung zwischen den Texten, die oft nur eine oder ein paar Seiten umfassen und selten größere Ausmaße annehmen, hat riesigen Spaß gemacht.
    Dem aufschlussreichen Einblick in Endes Archiv (von dem der "Zettelkasten" ja nur die Hälfte darstellt, "Niemandsgarten" steht ganz oben auf meiner Kaufliste nun!) gebe ich 7/10 Punkte.. lesen lohnt sich!

    Auf dem Flur hatte sich eine Traube aus Menschen gebildet. Sie schmeckte vorzüglich.


    meine Bücher 2016

  • das buch von ende reizt mich auch, u.a. weil es, wie novalis mit den fragmente,
    eine ideenbude füllt, und, wie ich hörte, auch fleißig novalis kontrastiert. ;)