Helmut Krausser

  • Habe noch nie was von diesem Autor gehört, nichtmal irgendwo was rumstehen sehen glaube ich, aber jörg, dein kleiner Text zu "Alles ist gut" hat mich vollkommen davon überzeugt, ihn mir mal näher anzuschauen.. Top, Danke! :thumbup:

    Auf dem Flur hatte sich eine Traube aus Menschen gebildet. Sie schmeckte vorzüglich.


    meine Bücher 2016

  • klingt gut, blackbox.
    krausser ist, seit einigen jährchen, einer meiner lieblingsautoren.
    ein mann mit meinungen.
    der thread hier regt dich vielleicht zusätzlich an... :)

  • Seltsame Todesfälle im Publikum
    Helmut Krausser legt den Roman „Alles ist gut“ vor, in dem er sich
    mit der Musikszene und ihren Dämonen beschäftigt.
    von Katrin Hildebrand

    "Mit all seinen Anspielungen verblüfft, amüsiert und brüskiert
    Krausser seine Leser. Und wer sich bis zum Ende vorgearbeitet hat,
    dem offenbart der Autor plötzlich ein Bild, das dem des eitlen
    Intellektuellen vollkommen widerspricht. Mehr als das Wörtchen
    „selbstironisch“, das den Roman schon im Klappentext antippt,
    sei an dieser Stelle nicht verraten." ...


    http://www.ovb-online.de/kultu…lle-publikum-5358888.html


    bisher bekanntlich mein lieblingsbuch 2015! ;)

  • zu krausser gibt es eine menge zu schreiben, einfach
    weil er sich für so manches interessiert...
    einen guten einblick geben seine tagebücher... :)
    ausser kafkas und die von novalis haben mich keine tagebücher so beeindruckt. :thumbup:

  • Ausgelesen: "Alles ist gut" von Helmut Krausser.


    Kaum ein Schriftsteller ist für mich so schwierig zu bewerten wie Helmut Krausser...auf der einen Seite steht seine unleugbare Sprachgewalt, seine Wortkreationen, wie auch hier wieder in "Alles ist gut" furios gezeigt wird. Dann sind da seine Plots, die gewiss nicht jedermanns Sache sein dürften, darauf muß man sich einlassen...auch dieser Plot hier gefällt mir sehr.
    Allerdings driften seine Romane anscheinend oftmals ab, für mich leider zum Negativen...in vorliegendem Buch empfinde ich zwei Drittel des Werkes als hervorragend, wunderbar formuliert und mit interessanten Zeitsprüngen in die Historie versehen. Die letzten 30-50 Seiten finde ich wiederum schwach und aufgesetzt, zumal Helmut Krausser hier eine spezielle Rolle zukommt, die ich bei Schriftstellern stets nervig und egozentrisch empfinde.


    Natürlich ist der Roman pure Ironie...gespickt mit Seitenhieben auf den Opernbetrieb und die Situation der E-Musik allgemein in Deutschland. Hier gelingen ihm wunderbare Anspielungen und Kritiken...leider erscheinen aber auch mitunter recht einseitige Meinungsbilder, die Krausser seinem Protagonisten in den Mund legt, wobei klar sein dürfte, dass es Kraussers eigene Meinungen sind. (Wer mal einige Interviews mit dem Autor gelesen hat, wird wissen, dass Krausser an den meisten lebenden und toten Schriftstellern kein gutes Haar läßt...von ihm selbst mal abgesehen ;) ) Diese Klaus Kinski-artige Überheblichkeit verleidet mir so ein Buch ein wenig, aber egal, bleiben wir beim Plot.


    Bei aller Ironie, die beiden im Buch erscheinenden Dämonen finde ich auch nicht ironisch oder witzig, sondern einfach nur peinlich und unpassend. Keine Ahnung, was Krausser damit bezwecken will. Dies ist besonders schade, da die geschichtlichen Kapitel über die Herkunft dubioser Notenblätter fantastisch geschrieben und ausgedacht sind, sodaß sie vollkommen authentisch und echt wirken. Wäre Krausser auf dieser Schiene geblieben, wäre es meines Erachtens besser gewesen, aber das ist natürlich wie immer das persönliche Empfinden des einzelnen Lesers. Sehr ironisch beschreibt sich Krausser an mehreren Stellen selbst, extrem ironisch sogar...leider erscheint ein paar Seiten weiter ein Hinweis, dass "alle Figuren, alle" in diesem Roman erfunden sind, was seine eigene Ironie leider wieder relativiert.


    Fazit: Unbestreitbar brillant geschrieben, Krausserunkundige sollten sich aber bei dem Plot auf Überraschungen einstellen, ob man sie gut oder schlecht findet, sei dahingestellt. Für mich lautet der Gesamteindruck: Anfänglich toll, dann schwächer werdend. Es kommt wie gesagt daruf an, was man erwartet. Fairerweise sei erwähnt, dass ich sein hochgelobtes Werk "Melodien" bislang nicht gelesen habe und mir somit die eine oder andere wichtige Anspielung entgangen sein dürfte.


    Bewertung: ***+

  • in den letzten jahren, lieber creed, hat krausser, der von kinski
    wenig hat, er ist einfach nicht so extrovertiert, sich fast nur mit
    musik beschäftigt, hat lieber tonale musik komponiert als zu schreiben
    und hat mit dem wiederentdecken alberto franchettis und vorher dem
    entdecken von puccinis geliebter die klassikwelt durcheinandergewirbelt,
    die es gerne beschaulich hat.
    noch als krausser auf der strasse lebte hat er in opernchören gesungen. aber
    wenn er heute von opern schwärmt die massen locken, so empfinde ich das als
    legitim, gerade bei ihm.
    ich empfinde alles was irgendein autor schreibt als subjektiv und so ist mir das,
    was viele hier ja auch bei king nicht mögen, ein konsequentes selbsterlebnis
    des schaffenden.
    zu bezweifeln wage ich ob die lektüre von "melodien" "alles ist gut" von gewissen
    scheinbaren unverständlichkeiten befreit, da helfen kraussers musikalisch-biographische
    sachbücher und die "tagebücher" mehr.
    ich freue mich sehr creed wie du krausser gerecht zu werden wünschst. :)


    "35 Lieblingsbücher - Leseempfehlungen HKs (ohne jede Ordnung gelistet)
    Vargas-Llosa - Tante Julia und der Kunstschreiber
    Haushofer - Die Wand
    Nabokov - Gelächter im Dunkel
    Fallada - Kleiner Mann, was nun?
    Fallada - Jeder stirbt für sich allein
    Lampe - Am Rande der Nacht
    Marai - Die Glut
    Maraini - Zeit des Unbehagens
    Maupassant - Bel Ami
    Hettche - Der Fall Arbogast
    Link - Frl. Ursula
    Kehlmann - Mahlers Zeit
    Kehlmann - Die Vermessung der Welt
    Frantzen - Die Korrekturen
    Céline - Reise ans Ende der Nacht
    Jünger - Afrikanische Spiele
    Hamilton - Sklaven der Einsamkeit
    Bukowski - Fast eine Jugend
    Perutz - Nachts unter der steinernen Brücke
    Fauser - Alles wird gut
    Fante - Ich, Arturo Bandini
    Hamsun - Pan
    Hamsun - Mysterien
    Jünger - Strahlungen
    Pepys - Das Tagebuch
    McEwan - Abbitte
    Coetzee - Schande
    Smith - Zähne zeigen
    Dickens - Oliver Twist
    Balzac - Oberst Chabert
    Bulgakow - Meister und Margarita (in der Neuübersetzung von Alexander Nitzberg)
    Dostoijewski - Verbrechen und Strafe
    Flaubert - Die Lehrjahre des Herzens (nur in der Übersetzung von Walter Widmer. Artemis-Verlag)
    Kadare – Die Festung
    Virginia Woolfe - Orlando"
    quelle: http://www.helmut-krausser.de

    Einmal editiert, zuletzt von Gast ()

  • Ich werde auf jeden Fall weitere Werke von Helmut Krausser lesen, Jörg, seine Sprache ist ja (wie ich bereits erwähnte) in meinen Augen einmalig in der deutschen Literatur.
    Viele Leser geben Autoren bei Nichtgefallen eines Buches sofort auf...wenn ich das täte, würden bei mir so gut wie keine Bücher im Regal stehen, denn beinahe jeder Schriftsteller schreibt mal ein Werk, das einem nicht wirklich zusagt, alles andere wäre unrealistisch... ^^


    Ich denke, mein nächster Krausser wird "UC" werden...

  • Ausgelesen: "Strom: Neunundneunzig neue Gedichte ('99-'03)" von Helmut Krausser.


    Ein ganz hervorragender Lyrikband, in dem Kraussers enorme Sprachbegabung sich voll entfaltet. Er mischt unbefangen alle möglichen Gedichtformen, komplexe Reime, reimlose Verse, abstrakte Satzgebilde, verwendet im Gedicht "Revolverkammerspiel" die konkrete Poesie und liefert mit "bdktnsrgbns - mgnnhlt" eine morbide Hommage an Ernst Jandl.


    Besonders gefällt mir, dass Helmut Krausser hier ständig zwischen Ironie, Tragik, Wortwitz, Drama und einem Hauch von Vulgarität pendelt, was den Gedichtband durchweg spannend und interessant gestaltet und zeigt, wieviel Potential in moderner Lyrik stecken kann, da diese literarische Form hierzulande ja leider etwas stiefmütterlich behandelt wird und verhältnismäßig wenig Leser findet.


    Meine Favoriten in diesem Band (ohne wertende Reihenfolge):


    prunkstillleben
    ich hab sie, als ich fünfzehn war
    soviel Zeit verschwendet
    Der Taxifahrer
    Zweimal Stille
    treu bis zum Genickbruch
    ich hörte heut im hugendubel
    einst und jetzt
    außer diversen selbstmordversuchen
    Grad brachte mir der Nikolaus
    revolverkammerspiel
    Marie Jeanette Kelly


    Fazit: Für Freunde moderner Lyrik und auch für Verfechter klassischer Reime ein unbedingtes Muss...witzig, nachdenklich, wortgewaltig, gut. Volle Empfehlung!


    Bewertung: *****+

  • je unbefangener man an krausser rangeht desto mehr geben seine
    werke (preis). - ;) - ob theaterstück, tagebuch, prosa oder lyrik, - wenn
    krausser seine ideen lebt lässt er sich das recht, die freiheit und "genie
    und handwerk", wie ja auch seine folk-punk-band hiess, zu papier
    zu bringen...

  • Ausgelesen: "Die letzten schönen Tage" von Helmut Krausser.


    Kurzes Fazit zu Beginn: Großartiges Buch! Ganz hervorragend! Krausser gelingt hier eine intelligent gemachte, teils düstere, teil beinahe humorvoll groteske Schilderung einer Dreiecksbeziehung, bei der er abwechselnd die einzelnen Teilnehmer in der Ich-Form zu Wort kommen läßt. Dieser literarische Kniff entpuppt sich als sehr geschickt, zeigt er doch, wie unterschiedlich Männer und Frauen ticken und wie konträr ihre Sichtweisen auf bestimmte Dinge sind.


    Schildert Krausser in einem Abschnitt die Situation aus der Sicht des manischen und introvertierten Hauptcharakters Serge, wechselt er gleich darauf in den Bericht von Serges Freundin Kati, die in ihrer Heile-Welt-Sicht die gleiche Situation komplett anders wahrnimmt. Dritter im Bunde ist der extrovertierte Fotograf David, ein Frauenheld vorm Herrn, der im Laufe des Buches feststellt, dass Frauen nicht nur Beischlafobjekte sind. Wirklich toll geschrieben, Krausser variiert hier gekonnt seinen Stil, der in einigen Büchern extrem wortgewaltig und fast schon barockartig daherkommt, während er hier eine coole, oftmals zynisch hingerotzte Alltagssprache verwendet, die bei aller Alltäglichkeit trotzdem komplex komponiert ist.


    Das Buch endet recht hoffnungslos; man vergißt über die häufig witzig boshaften Dialoge und Beschreibungen beinahe, dass Krausser in "Die letzten schönen Tage" eine verdammt traurige Analyse eines desolaten Lebens präsentiert.


    Fazit: Wer Krausser antesten will, der greife zu diesem Buch. Mehr noch als meinen bisherigen Favoriten "Der große Bagarozy" würde ich dieses Werk zu einer perfekten Einstiegslektüre zählen, Krausser läuft erzähltechnisch zu absoluter Hochform auf. Ich habe jede Seite genossen!


    Bewertung: *****+

  • ich glaube in der lebendigkeit der vielfalt der egomanen tagebücher
    liegt die kraft zu erfahren wie krausser tickt, was er liebt, verabscheut,
    in frage stellt, welche dinge ihn anregen, was er liest, welche filme er
    schaut und wie musik ihn inspiriert und tausenderley mehr.
    ich empfehle alle tagebücher, derzeit sind die rororo-tbs oft preiswert zu
    bekommen. :)

  • Habe meinen ersten Krausser gelesen und bin ein bisschen geteilter Meinung. "Der große Bagarozy" hat mich in manchen Punkten fasziniert und vieles an diesem schmalen Buch fand ich wundervoll, aber manche Sachen haben mir auch so gar nicht gepasst. Kraussers Sprache finde ich herausragend :thumbup::thumbup: , und der Beginn der Handlung reizt zum Weiterlesen und man ist interessiert am Verlauf... doch dann, inmitten all dem Ideenreichtum und der facettenreichen Sprache, bleiben die Figuren irgendwie auf der Strecke, die Handlung wird immer "weirder" (wenn ich das als Anglizismen-behafteter Jungspund mal so sagen darf) und...
    Am Ende weiß ich nicht so recht, was ich von diesem Roman halten soll und was er genau sein soll. Sicher ist aber, dass ich nun gewillt bin, tiefer in Kraussers Werk einzudringen, dass ich seine Sprache für mich entdeckt und auch mal wieder die Erkenntnis gewonnen habe, dass Uneindeutigkeit etwas nicht gerade schlecht machen muss. Ich fand die Stunden, die ich mit "Der große Bagarozy" verbracht habe, gut verbracht -- ich hatte mir die Sache nur vielleicht ein wenig anders vorgestellt.
    7/10 Punkten kann ich trotzdem getrost geben.

    Auf dem Flur hatte sich eine Traube aus Menschen gebildet. Sie schmeckte vorzüglich.


    meine Bücher 2016

  • Heute in der FR eine Rezension zu Kraussers "Alles ist gut" von Katharina Granzin. Link: http://www.fr-online.de/litera…ihm,1472266,32115342.html


    Eins schöner Satz daraus. "Das alles ist ein großes Spiel, ist witzig, intelligent und so weiter. Krausser kann’s, er weiß, dass er’s kann, und wir dürfen ruhig wissen, dass er’s weiß." Das ist jetzt von Frau Granzin eher negativ gemeint, aber ich finde, es trifft ganz gut auf Krausser zu. Und für mich ist das auch ein eher positiver Zug, jedenfalls literarisch gesehen.

    Ich bin eine Signatur

  • ja, ob über krausser oder jason starr wird oft munter geplaudert.
    danke maso!
    beides autoren die polarisieren und eine faszination von weisheit,
    in einer welt voller fragen, ausstrahlen.
    wie jörg fauser mit seinen krimis wird krausser wegen seiner
    weird-fiction von der hochkritik gerne angegangen, habe ich über
    die jahrzehnte festgestellt.

  • Ausgelesen: "Kartongeschichte" von Helmut Krausser.


    Manchmal (nein, oftmals) sind es gerade die dünnen, schmalen Bücher, die mich am meisten überraschen. Ein derartiges Exemplar ist die nicht anders als grandios zu nennende "Kartongeschichte" von Helmut Krausser, ein Buch, wie ich es bislang noch nie gelesen habe.
    Es ist schwer zu beschreiben...eine äußerst skurrile Story, interessante, recht merkwürdig anmutende Charaktere, groteske Situationen zuhauf...aber Krausser gelingt es, diesen wirklich eigenartigen Plot mit seinen unglaublichen Zufällen zu einer plausiblen, durchdachten und trotzdem intelligenten Geschichte zu verweben.


    Größtes Plus hierbei ist die Sprachgewalt dieses Schriftstellers. In anderen Werken konnte ich sie ja schon erleben, überbordend, verspielt, feinsinnig und pompös. Aber was Krausser hier sprachlich abfeuert, ist wirklich unglaublich, ein Stil, den ich so in deutscher Sprache bislang noch nicht gelesen habe. Kurz, knapp, ironisch, böse, zynisch, tragisch, witzig, philosophisch, weise, grotesk, brüllkomisch und einfallsreich.
    Krausser nimmt sich stellenweise selbst auf den Arm, wenn er im Text auf die Kürze und sprachliche Rasanz des Buches verweist, unter anderem bezeichnet er ein Kapitel als "Deleted Chapter", welches stark gekürzt wurde, weil es viel Unwesentliches enthalte. ( Zitat auf Seite 91: "Trotz manch brillanter Schilderung leidet das Kapitel daran, dass es schleppend erzählt ist, sich in psychologischen Exkursen verirrt und im Grunde nur Vorhersehbares enthält. in der Collector's Edition wird es unter dem Bonusmaterial erscheinen, für all jene, die meinen, darauf partout nicht verzichten zu können.") Dadurch gewinnt der brillante Sprachstil zusätzlich an Geschwindigkeit.


    Mit diesem Buch hat Krausser (der mich bislang bei einem oder zwei Werken auch durchaus etwas ratlos zurückließ) endgültig bei mir gewonnen, hier zeigt er, dass er in Sachen Sprachmächtigkeit, Ausdruck und Ideenreichtum in der modernen deutschen Literatur einzigartig ist.


    Fazit: Wer nichts gegen skurile Plots hat und wissen will, was zwei zusammenlebende Frauen, eine Katze, ein toter Vater, ein homosexueller Junkie, ein durchgeknallter Ex-Liebhaber, eine südamerikanische Mutter, ein Pornokino, eine Penthouse-Wohnung, ein mysteriöses Paket, ein VW-Bus und ein Loch im Wald miteinander zu tun haben, der dürfte mit diesem Buch gut und intelligent unterhalten werden. In meinen Augen ein Meisterwerk.


    Bewertung: *****+