Franz Kafka

  • Stach macht einen sehr kompetenten Eindruck und seine dreiteilige, umfangreiche Biographie wird allgemein (von Kritikern und Lesern) hochgeschätzt, sowohl vom gut recherchierten Inhalt als auch von der hervorragenden Lesbarkeit her. Der Fischer-Verlag hat Stach über etliche Jahre hinweg die Möglichkeit zu aufwändigen Nachforschungen gegeben, so spürte der Autor in den USA Teile des Nachlasses von Kafkas Verlobter Felice Bauer auf. Diese komplexe Biographie interessiert mich sehr und ich werde sie mir bei Gelegenheit auf jeden Fall zulegen, zumal die ersten beiden Bände bereits auch als (nicht ganz so kostenintensive) Taschenbuchausgaben erhältlich sind...


    Danke für das Posten des Interviews, Jörg, sehr interessant und Stach wirkt wirklich sympathisch und außerordentlich kompetent.

  • die biographie stachs ist für kafka-enthusiaten sicher
    ein must have. ich habe ja nur, siehe seite eins,
    eine werksanalyse über kafkas werk von diesem
    fachmann. diese zeigt offensichtlich den unterschied zu jemandem
    der seine meinung zu einem buch, einem werk vertritt
    und jemandem der forscht und zeit, in diesem fall für
    kafka, hatte.


    erstaunlich ist bei kafka und seinem umkreis, wie viel
    von briefen, tagebüchern, fotos, gegenständen etc. er-
    halten ist... wie schon oben erwähnt (seite eins des threads)
    hat klaus wagenbach da sehr viel gerettet....
    ein klassiker der kafkabegeisterung in unserem ländle:
    http://www.wagenbach.de/bueche…der-aus-seinem-leben.html

  • Da mich schon lange kein Buch mehr so fasziniert hat wie Kafkas "Der Prozess", habe ich mich entschlossen, alles, was mir an verfügbarem Material von und über Kafka begegnet, zu erwerben...natürlich immer soweit es die finanziellen Mittel zulassen, aber vieles gibt's ja antiquarisch... ;)

  • Ich habe so ziemlich alles von Kafka gelesen, außer den Briefen etc. Meine absolute Favoriten sind "Der Prozess", "Die Verwandlung" und "In einer Strafkolonie".


    Ich glaube, es gibt inzwischen mehr Bücher über Kafka als von ihm.

  • ja bestimmt, bighead, aber es gibt da auch etliche
    abschreiber und eben leute wie stach, wagenbach, bezzel u.a.
    die ganz wichtige arbeit für die kafka-forschung geleistet haben...

  • Starkes Interview, dass mir auch viel Lust auf die Biographien macht. Stach wirkt verständig und kompetent. Wenn er so schreibt, wie er mündlich erklärt, dann sind die Bücher lesbar und lesenswert.

  • zitat aus "kafkas erotischer mythos. eine ästhetische konstruktion des weiblichen" - reiner stach
    fischer wissenschaft, tb, 1987, 277 seiten.


    "nicht reflexion und überwindung des mythos,
    sondern dessen radikale entfaltung
    begründet kafkas rang innerhalb der modernen diskurse
    um weiblichkeit."

  • Ausgelesen: "Der Prozeß" von Franz Kafka.


    Mein Gott, was für ein Buch! Bislang von mir immer nur bruchstückhaft gelesen, einzelne, nichtssagende Passagen und im Hinterkopf stets das Stöhnen von Generationen von Schülern: "Öde"..."Langweilig"..."Unverständlich"..."Trocken"...
    Nein, nichts davon stimmt. Im Gegenteil, für mich war es eine der aufregendsten Leseerfahrungen meines bisherigen Bücherlebens, jede Seite überraschend, jede Zeile ein Genuß. Gewiss, für den Schulunterricht ist Kafka wirklich nicht die klügste Wahl, denn Kafka sollte man freiwillig lesen, ihn entdecken, interpretieren, darüber staunen...


    Die Geschichte des Josef K., der eines Morgens verhaftet wird und gegen den ein imaginärer, bizarrer Prozess geführt wird, ist voll von skurrilen, geheimnisvollen und kryptischen Situationen, besetzt mit interessanten, geheimnisvoll wirkenden Charakteren und voller Gleichnissen, versteckten Andeutungen und Rätseln, die schon tausendfach analysiert und interpretiert worden sind...und dessen letztendlicher Sinn vielleicht nie komplett entschlüsselt wird, da Kafka seine ureigene Deutung mit ins Grab genommen hat.


    Mich hat der stellenweise aufblitzende Humor überrascht, der die düstere, morbide Grundhandlung immer wieder durchbricht, mit solchen grotesken Szenen und Begebenheiten hatte ich bei Kafka nicht gerechnet. (Als Beispiel mag hier der recht merkwürdige Dialog Josef K.'s mit dem Maler dienen). Was das Buch dann endgültig zu einem absoluten und zeitlosen Meisterwerk macht, ist Kafkas formvollendete deutsche Sprache...jede Seite, jeder Satz wirkt bis ins Letzte ausformuliert. Der Autor hat das Buch als Romanfragment bezeichnet, dabei bricht nur ein Kapitel mitten in der Handlung ab, dafür ist aber der komplette Schluß vorhanden, was bei Kafkas anderem berühmten Roman "Das Schloß" nicht der Fall ist. Das 9. Kapitel mit dem Titel "Im Dom" wirft dann wenigstens ein wenig Licht auf den vielfältig interpretierbaren Plot. Darin enthalten ist die kurze Parabel "Vor dem Gesetz", die herausgelöst aus dem Roman eines der bekanntestes Kurzprosawerke Kafkas darstellt, und das man stellvertretend für die Situation Josef K.'s nehmen kann.


    Fazit: Mir geht es so wie dem werten Forumsmitglied Dekkard, der ebenfalls meinte, dass "Der Prozess" noch während des Lesens in seine persönliche Bestenliste gerutscht ist...bei mir steht der Roman nun ebenfalls ganz weit oben...für mich einer der besten und ungewöhnlichsten Romane, den ich je gelesen habe. Jedem, der bereit ist, sich auf eine morbide, düstere und vielfältig deutbare Geschichte einzulassen, sei dieses grandiose Buch ans Herz gelegt. Ein Jahrhundertwerk.


    Bewertung: *****+

  • Schöne Reiz, Creed. Ich glaube, ich nutze meine jüngst angekommene illustrierte Ausgabe dazu, dass Buch zeitnah ebenfalls nochmal zu lesen. Habe in letzter Zeit wieder richtig Lust auf Kafka bekommen.

  • das schlimme ;) bei kafka ist: man will alles von
    und über ihn lesen. wie unter lichtzwang.
    das herrliche: alle texte von franzl sind überraschend, ein gewinn.
    ich habe kafka nicht in der schule gelesen, sondern flankiert
    von trakl und lovecraft, für mich, mit meiner frau.. wir waren jung, meine frau & ich,
    und verrückt nach leben. liebe, lust und kunst. nicht nur damals.
    von allen dreien hole ich mir seit den 80ern die bücher immer
    wieder hervor... :thumbup:

  • Gestern kurz mal in zwei Erzählungen reingelesen: Gespräch mit einem Beter sowie Gespräch mit einem Betrunkenen. Das ging recht gut zum Lesen, und nicht so sperrisch, wie ich es in Erinnerung hatte.

    Rezensionen im Blog...
    Festa-Sammlung im Forum
    "Ihr seid Ka-tet, eins aus vielen. So wie ich. Wessen Ka-tet das stärkere ist, werden wir jetzt herausfinden müssen."

  • Ausgelesen: "Briefe an die Eltern aus den Jahren 1922-1924" von Franz Kafka.


    1986 kaufte ein Prager Antiquariat (offenbar aus privater Hand) ein Konvolut von 32 Schriftstücken (Briefe und Postkartenkarten), welches bislang verschollene Korrespondenz Franz Kafkas mit seinen Eltern enthielt. Diese Briefe schlossen, wenn auch immer noch unvollständig, eine biographische Lücke im Leben des Schriftstellers und eröffneten gewisse Einblicke in die letzten Lebensjahre Kafkas.


    Ein großer Teil der Briefe und Postkarten stammt aus der Berliner Zeit des Autors, in der er mehrmals umzog und (aufgrund der wirtschaftlichen Lage und der Inflation) zusammen mit seiner letzten Lebensgefährtin Dora Diamant oftmals unter erbärmlichen Umständen leben mußte. Die Korrespondenz mit seinen Eltern schildert in jener Zeit recht detailliert die Armut und seine aufkommende, von Kafka aber stets in den Briefen abgemilderte Krankheit. Probleme mit der jeweiligen Zimmerwirtin, Beschreibungen der Unterkünfte und der Lebenshaltungskosten im Berlin der 20er Jahre und seine Abneigung, sich vom heimischen Prag aus Geld und Lebensmittel schicken zu lassen.


    Der restliche Teil der Schriftstücke wurde von Kafka in verschiedenen Sanatorien in Österreich geschrieben, wobei am Ende seines Lebens eine permanente körperliche Schwäche einsetzte, und daraufhin seine Lebensgefährtin Dora den Hauptteil der Korrespondenz verfasste, während Kafka nur noch einige Zeilen dazusetzte. Bezeichnend ist, dass Kafka bis zum Schluß darauf bedacht war, seine Krankheit (Kehlkopftuberkulose) vor der Familie abzuschwächen. Auch der recht erschütternde (vermutlich) letzte Brief Kafkas, der mittendrin abbricht und dementsprechend unvollendet blieb, ist hier enthalten. Die Herausgeber datieren ihn (Kafka selbst schrieb bis auf eine Ausnahme kein Datum auf die Briefe und Postkarten) auf den 2. Juni 1924. Er starb einen Tag später.


    Fazit: Als Ergänzung zur Biographie Kafkas hochinteressant und stellenweise bedrückend. Kafkas Wortgewandheit wird auch hier in privatem, kurzem Rahmen deutlich. Ein lesenswertes, literarisches Zeitdokument.


    Bewertung: ***** (Private Briefe kann man im Grunde genommen, im Gegensatz zu fiktiven Romanen, nicht bewerten. Meine Punkteangabe bemißt daher den [für mich] interessanten Informationsgehalt dieses Buches.)

  • KAFKA-BIOGRAF REINER STACH BERICHTET
    ÜBER DEN EINFLUSS DER UMWELT AUF KAFKAS WERK
    Wer war Franz Kafka? Eine Frage,
    mit der sich ganze Generationen von Schülern
    bereits befasst haben.
    Frankenberg. Kafka-Biograf Reiner Stach widmet sich dieser Frage ebenfalls bereits seit vielen Jahren und ganz so leicht wie vielleicht bei anderen Schriftstellern ist die Antwort nicht. Einen Eindruck vom persönlichen Umfeld des Literaten und dem Einfluss auf seine Texte verschafften sich die Schüler der zwölften Klassen der Edertalschule im Rahmen des „Literarischen Frühlings“.


    Wer also war Kafka? Die Antwort „ein deutscher Schriftsteller“ ist insofern richtig, als dass Kafka seine Texte in deutscher Sprache verfasste - jedoch hatte er einen österreichischen, später sogar einen tschechischen Pass. Lange sei man der Meinung gewesen, dass Kafkas Leben gar nicht so interessant gewesen sei, sagt Stach. Und der Einfluss seiner Umwelt auf sein Schaffen falle zunächst nicht auf: „Er war Jude und das Wort Jude kommt nicht vor“, sagt Stach - ebenso wenig wie seine Heimatstadt Prag oder der Erste Weltkrieg. Heute habe sich die Einstellung geändert: „Die Frage der eigenen Identität wird zur Dauerfrage.“ In seinem Tagebuch klagt Kafka: Er sei ein Mensch ohne Wurzeln. Kafka wuchs in Prag auf, allerdings in kleinstädtischen Verhältnissen, denn fast alles spielte sich ausschließlich im Zentrum Prags ab. Prag sei zu jener Zeit fast ausschließlich deutsch gewesen, sagt Stach. Jedoch kamen in dieser Zeit zunehmend Tschechen vom Land in die Stadt. Kafka und seine Geschwister wuchsen somit zweisprachig auf. Die Eltern sprachen Deutsch, das Personal Tschechisch. Und auch bei der Schulwahl stellte sich für die Eltern die Frage: tschechisch oder deutsch - sie entschieden sich, ihren Sohn auf eine deutsche Schule zu schicken.


    Die Spannungen zwischen Deutschen und Tschechen wurden mit der Zeit immer größer und auch die Abneigung der Tschechen gegenüber den Juden nahm zu. Diese seien damals sehr konservativ gewesen. Als Kafka 14 Jahre alt war, versammelte sich eine tschechische Menschenmenge in Prag und begann damit, alles was deutsch war, zu zerstören - bis ihnen der Kaiser Einhalt gebot. Dies habe zu einem Identitätsproblem geführt, sagt Stach. Wie sollten sich Juden verhalten? Viele wählten den Weg der Anpassung. In dieser Zeit und nach den Vorfällen in Prag allerdings wurde die Bewegung des Zionismus stärker, die unter anderem erklärte, dass Juden nur in ihrem eigenen Land in Sicherheit leben könnten - „Für Kafka eine ernst zu nehmende Sache“, sagt Stach.


    Die Frage nach der eigenen Identität sei von außen „aufgezwungen“ worden: „Es war eine rationale Reaktion auf die Bedrohung“, sagt Stach. Der Einfluss von Kafkas Umwelt auf seine Werke werde ebenfalls deutlich, betrachte man die Verknüpfungen zwischen sehr Altem und, zumindest für die damalige Zeit, sehr Neuem - wie etwa die Foltermaschine aus „In der Strafkolonie“. Zu Kafkas Zeit kamen neue technische Entwicklungen auf den Markt - Autos, Flugzeuge, das Kino. Zugleich jedoch lebte der Literat in einem „verstaubten Beamtenstaat“. Habe man einen Einblick, dann komme es einem nicht mehr wie ein Wunder vor, dass ein scheinbar so harmloser Versicherungsangestellter einen so scharfen Blick entwickelte.


    Von Marco Steber

    quelle:
    http://www.wlz-fz.de/Lokales/F…nberg/Wer-war-Franz-Kafka

  • für meine sammlung:
    klaus wagenbach: franz kafka. bilder aus seinem leben.
    wagenbach, brosch-großformat, 1983, 192 seiten. die pinke version.
    wagenbachs ist mit abstand die größte sammlung von fotos und
    privatem des kultautoren des 20.jahrhunderts. :thumbup:

  • lese ja seit gestern wagenbachs fotoalbum, seit dem erscheinen 1983 hatte
    die "dienstälteste kafkawitwe" wagenbach kafka verortet, hat die sammlung an fotos, briefen,
    dokumenten wohlgeordnet und die kafka-forschung unendlich
    bereichert durch auffinden der menschen und wirkungsstätten kafkas im bild.
    man erfährt von kafka dem tennisspieler, dem motorradfahrer, dem politikinteressierten,
    dem schüler und studenten und beamten, man sieht seine familie und freunde, seine
    frauen... die lieblings- und kurorte, lieblingsgemälde usw.
    herr wagenbach - tausend dank, für die sammlermühen und die 1.klasse präsentation. :thumbup:

  • ich hab wagenbachs bildband zu kafka eben beendet anzuschauen und
    zu lesen.
    man möchte tausende eindrücke wiedergeben, man hat sehr vielschichtig
    und intim ein leben nachempfunden, so als hätte man ein erklärtes fotoalbum
    betrachtet.
    - ob kafkas kampf in der brotarbeit mit fabrikanten um den schutz der
    arbeiter, deren interessen er vor den bonzen vertrat.
    - ob kafkas verkanntheit zu lebzeiten, ein journalist nannte kafka
    einen "lüstling des entsetzens".
    - ob kafkas sinn für das schöne und besonders fürs schreiben.
    ich habe viele neue gedanken über kafka aufgeschlürft und kann jedem
    kafka-begeisterten das wagenbach-buch nur ans herz legen. <3:thumbup:
    klaus wagenbach: franz kafka. bilder aus seinem leben.
    wagenbach, brosch-großformat, 1983, 192 seiten. die pinke version.