Die Vorstellungen beim Lesen

  • Mich würde mal interessieren, wie ihr euch beim Lesen einer Geschichte die darin vorkommenden Personen vorstellt. Entwickelt ihr in eurem Kopf ganz konkrete Gesichter, Körper für die Charaktere in einer Geschichte oder bleiben sie relativ gesichtslos? Bei einigen Autoren werden ja auch Vorgaben gemacht (Gesicht wird beschrieben, Haare, Augen etc.), bei anderen wird es aber ganz dem Leser überlassen, wie er sich die Figur vorstellt.


    Bei mir ist das immer ziemlich unterschiedlich, bei manchen Personen habe ich ganz klare Vorstellungen, wie diese aussehen, andere bleiben aber auch mal bis zum Ende des Romans ohne konkrete Vorstellung (was mich aber dann auch nicht wirklich stört). Dies kann man dann wohl eher so beschreiben, als wäre das Gesicht in einem Nebel..man erkennt Konturen, aber hat keine klare Sicht darauf.


    Wie ist das bei euch?

  • Tja, bei mir entstehen im Kopf eher die jeweiligen Schauplätze detaillierter, während die handelnden Personen etwas konturloser bleiben, selbst wenn sie sehr genau vom Autor beschrieben werden. Bei Büchern, die ich nach einer Verfilmung derselben lese, sieht die Sache dann schon anders aus... :)

  • Die Schauplätze setzten sich bei mir auch wesentlich leichter zusammen als die Personen. Natürlich liegt es auch viel am Talent des Autors, wie gut sich alles im Kopf zusammensetzt. Das ist klar.


    Ich mag es aber gar nicht das Buch zu lesen, wenn ich den Film gesehen hab. Ich lese immer zuerst das Buch. Habe ich den Film gesehen, habe ich auch keine wirkliche Lust mehr, das Buch im nachhinein zu lesen.


    Es hat mich sogar schon bei "Der Marsianer" gestört, dass ich beim Lesen ständig Damon's Gesicht vor mir hatte (weil ich das Filmplakat kannte).

  • Bin ich richtig im Buch "drin", dann wird irgendwie alles visualisiert. Ist dann auch mein Gütesiegel für das Buch. Jene, die es nicht schaffen, waren dann eben nur simple Buchware.


    Schlecht wird es dann, wenn die Bücher verfilmt werden und statt einem Gerard Butler als Actionheld taucht im Film Daniel Brühl auf. Und was ich mir im Buch z. B. als schroffe Berge zusammenphantasiert habe, sind im Film bloße Katzenbuckel.

    The water in my whisky is the poison in my brain

  • Ich kann mir die Schauplätze auch wesentlich besser bildlich vorstellen als die Personen. Bei mir ist dies auch kein Wunder, da ich mich nur schlecht an das Aussehen von Personen erinnern kann. Wäre ich Zeuge einer Straftat, könnte man meine Täterbeschreibung vergessen!


    Beschreibt ein Autor seine Schauplätze zu genau, schalte ich auch leicht ab und bastele mir meine eigenen Plätze!

    Es gibt einen Grund unsterblich zu sein! Man kann die meisten wichtigen Bücher lesen!
    Real Music Fans: "God Give us Malcom Young back and we give you Justin Bieber!" God: "Fuck no!"

  • Tja, bei mir entstehen im Kopf eher die jeweiligen Schauplätze detaillierter, während die handelnden Personen etwas konturloser bleiben, selbst wenn sie sehr genau vom Autor beschrieben werden. Bei Büchern, die ich nach einer Verfilmung derselben lese, sieht die Sache dann schon anders aus... :)


    Das kann ich bestätigen. Und das liegt in der Regel ja auch daran, dass eine Geschichte aus Sicht einer Person beschrieben wird. Ein Ich-Erzähler beschreibt sich manchmal gegenüber dem Leser, aber halt nur manchmal. Dafür beschreibt er aber das, was er vor sich hat einfach genauer. Daneben ist bei der sehr häufig vorkommenden personalisierten Erzählweise ebenfalls die Sicht aus dem Blickwinkel des Handelnden geschildert. Und man selbst beschreibt sich nunmal gegenüber einem Leser schlecht. Mir geht es nämlich genauso wie Creed das oben ausgeführt hat.

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  • Umgekehrt (also zuerst Buch, dann Film) bin ich oftmals auch vom Ergebnis enttäuscht, da es meistens völlig anders aussieht, als ich es mir während des Lesens gedacht habe...rühmliche Ausnahme (jedenfalls in meinem Fall): Peter Jackson's "Herr der Ringe"-Verfilmung...dort hat sich der Regisseur beschreibungstechnisch so eng an Tolkiens Schauplätze und Figuren gehalten, dass er unheimlicherweise oft genau jene Bilder mit der Kamera schuf, die ich beim Lesen vor Augen hatte...


    Ansonsten gebe ich Red recht, wenn ein Schriftsteller durch seinen Schreibstil in meinem Schädel keine irgendwie geartete Visualisierung erzeugt, dann sind entweder Buch oder Autor nichts für mich.

  • da ich mich nur schlecht an das Aussehen von Personen erinnern kann. Wäre ich Zeuge einer Straftat, könnte man meine Täterbeschreibung vergessen!


    Mein "Gesichtserkennungsprogramm" im wahren Leben ist auch eher lau. Um bei deinem Beispiel zu bleiben, würde meine Täterbeschreibung dann wohl aussehen, wie der Polizist, der mich befragt. Vielleicht mit ein bisschen Adolf und Angela plus "Der Eiserne".

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  • Personen sind immer so eine Sache. In vielen Bereichen ist mir das Aussehen vollkommen egal, weshalb es auch keine Rolle spielt, ob sich ein Autor die Mühe macht, die bis ins kleinste Detail zu beschreiben, oder es bei einer oberflächlichen Erwähnung belässt. Einziger Unterschied stellen herausstechende Merkmale da, die sich für das gesellschaftliche Miteinander als relevant erweisen, da sie Einfluss auf Reaktionen anderer Charaktere haben, seien es jetzt Narben oder sonstige erwähnenswerte Auffälligkeiten. Ansonsten sind es vor allem Projektionsflächen dessen, was den Charakter ausmacht. Mir kommt es auf deren Handlungen, deren Absichten, Zielen, Vorstellungen, Eigenarten etc. an.


    Schauplätze sind wiederum etwas ganz anderes. Wenn der Autor sich die Mühe macht, die kleinteilig zu beschreiben, soweit es notwendig ist (oder gerade meinem Interesse entspricht), nehme ich das gerne an, ansonsten reichen mir grobe Umrisse meist aus, die den Rahmen des momentanigen Geschehens angemessen abdecken. Das ist allerdings auch stark von der Geschichte an sich und dem Autoren abhängig. Wenn es lediglich um die Handlung in einer 08/15 Stadt geht, kommt es mir hier eher auf Herausstellungsmerkmale an, ansonsten reicht mir die Vorstellung einer Stadt nach Schema F aus. Geht es wiederum um etwas, was in der realen Welt so eher nicht vorkommt oder handelt es sich um einen zwar vorkommenden, aber sehr ungewöhnlichen Ort, verändert sich entsprechend natürlich auch die Vorstellung anhand dessen, was der Autor wiedergibt oder was man denkt, was der Autor meinen könnte.

  • beim lesen folge ich den worten und ihrer abstraktion, ein ausgezeichnetes
    buch sieht für mich, in seiner gesamtheit, einem vollkommenen spinnennetz
    sehr ähnlich.
    selten verursacht ein buch in mir kinoreife bilder, und wenn, dann eher von den
    handelnden figuren und räumen, seltenst von landschaften.

  • Also wenn ein Autor bestimmte Landschaften beschreibt, ruft das in meinem Kopf bestimmte Bilder ab. Gleiches z.B. auch bei der Beschreibung einer Kleinstadt in den USA. Ob das Städtchen nun wirklich existiert oder vom Autor erfunden wurde, ist mir ehrlich gesagt dabei völlig nebensächlicher Natur.
    Bei den Figuren im Roman sieht es ähnlich aus, denn da rede ich auch nicht umsonst von "meinem" Kopfkino. Ist dann bei mir wie eine Art Baukasten im Kopf. Treffen ein paar Details bei einer Figur zu, taucht in meinem Kopf faktisch z.B. eine passende Darstellerin oder ein Darsteller aus einem Film oder so auf und schon hat die Figur dann ein Gesicht. Wenn da was bei mir im Kopf beim lesen wie im Nebel bleibt oder wieder dahinter verschwindet, weil es dann doch zu nichts passt (z.B. ein Gesicht), dann hat der Autor oder die Autorin mich mit ihrem Werk nicht packen können - also kein gutes Zeichen, weil es mir zeigt, dass ich langsam aber sicher das Interesse an den Figuren bzw. der Handlung verliere.

    "Wahnsinn ist bekanntlich die Vorstufe zur Genialität. Ich persönlich bin da aber längst schon einen Schritt weiter." :D

    Manchmal ist Liebe nicht genug, um die ganze Welt in ihrem Blut zu ersäufen



  • Während des Lesens baut sich bei mir schon ein "konkretes" Bild der handelnden Personen und Landschaften auf.
    Dabei brauch der Autor noch nit mal ins Detail gehen, ein paar Eckdaten reich um ein passendes Bild entstehen zulassen.


    Ich lese übrigens auch in der Regel das Buch vor dem Film, um mir mein eigenes Bild nit kaputt zumachen.
    Mein Kopfkino ist meistens besser als der Film. :D




    AL