Andreas Gruber

    • Offizieller Beitrag

    Hier habe ich noch ein schönes Interview mit einem super netten Schriftsteller, von dem auch schon Werke im Hause Festa erschienen sind....


    Elements of Crime im Frühjahr 2012


    Beginnen wir mit meiner allerliebsten Frage, wer ist die Person Andreas Gruber?
    Südlich von Wien gibt es ein winziges ländliches Dorf, und am Ende einer idyllischen Sackgasse, die als Forstweg in den Wald führt, wohne ich mit meiner Frau und vier Katzen. Neben meinem Job als Schriftsteller arbeite ich halbtags im Büro eines Pharma-Konzerns, der in drei Jahren SAP einführen wird. Diese lustige Erfahrung habe ich schon mal zuvor in einer anderen Firma genossen. Möglicherweise werden meine Romane in dieser Zeit etwas aggressiver ausfallen. Jedenfalls meint meine Psychotherapeutin, ich bin für meine Umwelt am erträglichsten und ungefährlichsten, wenn ich Romane schreibe. Zwangsneurosen habe ich wie jeder andere auch, am liebsten ist mir aber mein Sammlerwahn. Ich habe eine große Bücher- und Comics-Sammlung und eine noch größere Sammlung von Heavy Metal CDs, die meine Freunde liebevoll das Metal-Museum nennen.


    In „Der Judas-Schrein“, hast Du durch Rückblenden in Form eines Tagebuches und durch einen zweiten kürzeren Erzählstrang, den Leser mit vielen Informationen zur Entstehung des Geheimnisses versorgt. Ich stelle es mir sehr schwierig vor, eine Geschichte nicht nur gradlinig voranzutreiben, sondern auch noch Sprünge in der Zeit einzubauen. Wie behältst den Überblick dabei, wie baust du so eine Geschichte auf, wo und womit fängst du an?
    Ja, so etwas zu konstruieren ist nicht einfach. Ein detailliertes Exposé ist dabei unerlässlich, damit man weiß, an welcher Stelle welche Figur bereits von welcher Figur welche Informationen erhalten hat. Das beantwortet auch zugleich die Frage: Ich beginne mit einem in Kapitel unterteilten Exposé, am besten für jeden Erzählstrang. Eine Zeitlinie in einem Tabellenkalkulationsprogramm erleichtert die Gestaltung des Plots. Danach entwickle ich die Charaktere und baue die Recherchen in die Handlung ein. Erst wenn das komplette Gerüst steht, beginne ich mit dem Schreiben – wobei das Schreiben eigentlich die geringste Arbeit ausmacht, denn dann kommt ja noch das Überarbeiten des Textes.


    In Deinen Romanen - mir ist es speziell in „Rachesommer“ aufgefallen – legst Du großen Wert auf Deine Figuren. Zum einen besitzen sie diesen „man muss sie einfach gern haben „ Faktor, und zum anderen haben sie einen unglaublich hohen Wiedererkennungswert. Die Schauplätze hingegen sind dafür nicht ganz so sehr ausgeschmückt. Warum ist es für Dich so wichtig, den Fokus auf die Figuren zu legen, oder sehe ich das falsch?
    Das siehst du vollkommen richtig. Für mich dient der Schauplatz dazu, die Stimmung festzulegen, damit sie zur Handlung passt, und die Szenen zu unterstützen, damit sie noch plausibler werden. Aber die Personen, ihre Stärken und Schwächen, ihr Charakter, ihre Eigenheiten und ihre Vergangenheit sind es, was die Handlung voran treiben. So gesehen ist der Schauplatz „nur“ das Mittel zum Zweck, die Figuren jedoch der zentrale Angelpunkt der Story. Allerdings gibt es eine Ausnahme, die ich gern erwähnen möchte: Der Thriller „Schwarze Dame“ spielt in Prag, und diese Stadt mit ihrem Straßengeflecht und ihren Eigenheiten nimmt einen wichtigen, zentralen Teil der Handlung ein. In jeder anderen Stadt hätte der Plot so nicht funktioniert. Prag wird sozusagen zu einem eigenständigen Charakter der Handlung … klingt dämlich, ich weiß. Aber man muss „Schwarze Dame“ gelesen haben, um zu begreifen, was ich meine.


    In „Rachesommer“ arbeitest Du zu Beginn und bis über die Hälfte hinaus mit zwei vorerst voneinander unabhängigen Erzählsträngen. An und für sich keine Weltneuheit, aber zwei Storys gleichzeitig – in vielen Belangen perfekt auszustatten – hat mich doch sehr überrascht, denn oftmals liegt einem die eine Handlung doch mehr am Herzen als die andere. Hast Du es zwischendurch, oder nach Beendigung des Romans gemerkt, dass Dir die Umsetzung richtig gut gelungen ist? Was ist Dein Erfolgsrezept?
    Letztendlich glaube ich nicht, dass es so etwas wie ein „Erfolgsrezept“ wirklich gibt. Schau dir die Erfolge von Dan Brown mit seinen Vatikan-Thrillern an, Joanne K. Rowling mit Harry Potter oder Stephenie Meyer mit Twilight. Ich glaube nicht, dass da ein ausgeklügeltes „Rezept“ dahinter steckt, vielmehr ein glücklicher Zufall, dass zum richtigen Zeitpunkt, das passende Thema die richtigen Nervenenden der Leser zum Schwingen gebracht hat. Vieles funktioniert natürlich auch über Mundpropaganda, wenn du dir beispielsweise den Erfolg von „Blairwitch Project“ ansiehst. Und schon wird eine Lawine von Fake-Doku-Filmen losgetreten.


    Um aber deine Frage zu beantworten: Ich arbeite gern mit verschiedenen Handlungssträngen, schon allein deshalb, weil man die zu einer dichteren, komplexeren Handlung verzahnen kann, wodurch mehr Tempo und Dynamik entsteht, und man außerdem mehrere Figuren ins Spiel bringen kann. Der Leser weiß natürlich, dass beide Storylines irgendwann man zusammenlaufen müssen, aber er weiß nicht wann und er weiß nicht wie. Erfolgsrezept? Hm! Ich versuche eben, jeden Handlungsstrang so zu gestalten, damit er auch als eigenständiger Roman gut funktioniert hätte.


    Die beiden Thriller, „Schwarze Dame“ und „Die Engelsmühle“, in denen der Ermittler Peter Hogarts die Hauptfigur bekleidet, schlugen, und schlagen noch immer ein wie eine Bombe. Was ist das „I“ Tüpfelchen dieser Reihe, was meinst Du macht sie so erfolgreich?
    Tja, wenn ich das wüsste! Vielleicht liegt es daran, dass Peter Hogart ein schräger Typ ist, der seltsame Hobbies hat und als freiberuflicher Versicherungsdetektiv an seine Fälle eben anders rangeht als herkömmliche Ermittler. Vor allem hat Peter Hogart in jedem Roman stets zwei Fälle, in die er involviert ist, die zunächst nichts miteinander zu tun haben, wobei sich jedoch später herausstellt, dass sie doch irgendwie zusammenhängen. So führt eben eins zum anderen, und Peter Hogart gerät ziemlich ins Schleudern, bis er das Puzzle richtig zusammengesetzt hat.


    Was an Deinen Romanen entspricht der Wahrheit, sprich – beruft sich auf Tatsachen, auf wahre Begebenheiten? Oder ist alles in Deinem Kopf entstanden, alles reine Fiktion?
    Die Polizei- und Kripoarbeit ist bei Ermittlern, Richtern und Staatsanwälten recherchiert worden, die ich im Lauf der Arbeit am Manuskript kennen lernen durfte. Ebenso habe ich die medizinischen Details bei Ärzten recherchiert. Die meisten Schauplätze gibt es wirklich, allerdings habe ich z.B. die psychiatrischen Kliniken in „Rachesommer“ bis auf eine Ausnahme erfunden. Die Handlung ist natürlich frei erfunden, bloß winzige Details und nebensächliche Episoden, wodurch eine Handlung lebendig wird, lasse ich aus der Realität einfließen. Die Figuren und ihre Charaktereigenschaften sind ebenfalls erfunden. Früher wollte ich befreundete Personen 1:1 in meine Stories einbauen, aber das hat nicht funktioniert, weil die Figuren nicht exakt passten und sich gegen die Handlung sträubten.


    Jeder Autor hat ja seine eigene, ganz spezielle Art, eine Geschichte entstehen zu lassen? Wie funktioniert das bei Dir? Lässt Du sie vielleicht über Monate in Deinem Kopf reifen, legst Du sie im Hinterkopf ab und fügst immer neue kleine Stückchen hinzu, bis Du der Meinung bist, sie ist reif um mit dem Schreiben zu beginnen? Wie läuft das bei Dir ab?
    Monate? Jahre sind es! Ideen kommen meist spontan. Irgendein Ereignis dient als Initialzündung und dann schießt eine neuer Gedanke ein. Ich sammle all diese Ideen in einer langen, langen Datei. Manche Ideen bestehen bloß aus ein paar Sätzen, andere wiederum aus einem drei- bis vierseitigen Exposé. Irgendwann kommt mal ein passendes Angebot von einem Verlag für einen Roman oder den Storybeitrag einer Anthologie. Dann durchforste ich dieses Ideen-Pool und arbeite eine passende Roman-Idee zu einem etwa 20seitigen Exposé aus, gliedere die Handlung in Kapitel, entwerfe die Schauplätze und die Figuren mit ihren Hintergründen und ganz wichtig: ihre Motivation, die sie veranlasst, etwas zu tun!


    Deine Romane bewegen sich vom Thriller, über Fantasie bis hin zum Horror. Unter anderem sind sie auch mal innerhalb eines Romans Genre übergreifend. Was macht den Reiz aus, dieses vermischen, dieses ineinander überfließen lassen der Genres?
    Genre-Grenzen mag ich nicht sonderlich, aber leider muss man sie in gewissem Maße akzeptieren, weil der Markt eben so funktioniert. Der Leser möchte das bekommen, was als Begriff über dem Regal in der Buchhandlung steht. Für mich besteht der Reiz – aus diesen Grenzen auszubrechen – darin, dass ich den Leser gern aufs Glatteis führe. Ich stoße den Leser gern vor den Kopf, serviere ihm eine Wendung, die ihm in Erinnerung bleibt. Am liebsten ist es mir, wenn sich der Leser in Sicherheit wiegt, dann reißt ihm die Handlung plötzlich den Boden unter den Füßen weg. Nichts ist mehr, wie es scheint. Klingt zwar etwas abgedroschen, aber das reizt mich. Allerdings besteht die Gefahr, dass es unplausibel wird, wenn man es übertreibt – dem genreübergreifenden Text, dem so genannten Crossover, sind also Grenzen gesetzt, denn ein Text funktioniert nur, wenn dir der Leser die Handlung abnimmt.


    Gibt es ein Genre das Dir besonders am Herzen liegt, wo Dir die Ideen förmlich nur so aus dem Kopf kullern und zu dem Du einen besonderen Bezug hast?
    Ja, das sind das Horror- und das Thriller-Genre. Dort gibt es sogar Überschneidungspunkte, wenn man sich beispielsweise „Schweigen der Lämmer“ von Thomas Harris oder „Die Purpurnen Flüsse“ von Jean-Christophe Grangé anschaut. Den britischen Kriminalroman á la Agatha Christie zum Beispiel, der so genannte Cozy – ist dahingegen nichts für mich. Ich mag es lieber ruppig, brutal, düster, aber trotzdem spannend.

    • Offizieller Beitrag

    Wie reagierst Du auf Rezensionen Deiner Romane, sei es in den Print- Medien oder auch auf Online-Plattformen. Nimmst Du sie Dir zu Herzen, denkst- und reagierst Du vielleicht sogar auf Beiträge, die sowohl positiv als natürlich auch mal negativ ausfallen können?
    Ich nehme mir jede Kritik zu Herzen, positive wie negative. Von beiden kann man lernen: was einem gut gelungen oder besonders misslungen ist. In Foren oder auf Online-Plattformen bin ich fast nie. Mir ist es zu mühsam, herumzusurfen und Accounts anzulegen. Auf negative Beiträge reagieren? Das mache ich schon allein deshalb nicht, denn das wäre so, als würde man einen Verriss verreißen. Man muss die Meinung anderer respektieren, auch wenn sie schwer verdaulich ist. Außerdem kann man Kritiker sowieso nicht überzeugen, falls sie vielleicht mal tatsächlich im Unrecht sein sollten, weil sie etwas überlesen haben. Da geht vorher ein Elefant durchs Nadelöhr.
    Ist aber eine Kritik mal besonders gut und detailliert ausgefallen, schreibe ich dem Verfasser schon gern eine E-Mail, um mich für die motivierenden Worte zu bedanken. Manchmal erhalte ich auch Mails von aufmerksamen Lesern, die mich auf Fehler bei speziellen Fachdetails hinweisen. Nicht nur, dass ich mich für solchen Input bedanke, es entsteht oft auch ein Dialog. Mittlerweile sind einige dieser Leser Testleser bei neuen Büchern geworden, weil mich deren Meinung interessiert.


    Was glaubst Du welche Rolle Rezensionen beim Verkauf von Büchern spielen, nicht nur auf Deine Werke bezogen, sondern ganz allgemein betrachtet?
    Ich glaube, dass der Stellenwert der Rezensionen in den letzten zehn Jahren stark zugenommen hat. Schon allein durch das Medium Internet. Früher hat man Buchbesprechungen in Magazinen, Zeitschriften und Jahrbüchern gelesen. Heute ist man mit einem Mausklick bei Amazon und kann lesen, was Hunderte Kunden über DVDs, CDs und Bücher schreiben. Und da das Phänomen existiert „Tausende Zuseher und Leser können nicht irren“, lässt man sich gern von vielen Rezensionen beeinflussen. Ich persönlich halte es so, ich lese mir bei einem Buch, das mich interessiert, stets die 1 Sterne und 5 Sterne Rezensionen durch. Geschmäcker sind subjektiv, und mich interessieren die Stärken und Schwächen eines Buches. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich immer irgendwo in der Mitte.


    Im Juli 2012 erscheint ein neuer Psychothriller von Dir, kannst Du uns vielleicht schon einen kleinen Ausblick darauf geben, was uns als Leser erwartet?
    Der Roman trägt den Titel „Todesfrist“. Diese Info ist brandneu und ist noch nicht mal auf meiner Webseite zu finden. Ein Killer zieht eine blutige Spur durch Deutschland und entführt und tötet scheinbar willkürlich ausgesuchte Frauen auf brutale Art und Weise. Ich meine wirklich brutal. So etwas gab es vorher noch nicht zu lesen. Im Prolog bekommt der Leser gleich einen Vorgeschmack, welche Richtung der Roman einschlägt. Bevor er sie jedoch tötet, treibt er ein Psychospiel mit einer anderen Person, die er zwingt, ein bestimmtes Rätsel zu lösen. Von der Lösung des Rätsels hängt es ab, ob die entführte Frau überlebt oder nicht. Bisher gab es keine Überlebenden, aber bei seinem jüngsten Spiel sucht er sich eine Wiener Psychotherapeutin aus. Und die ist definitiv das falsche Opfer für ihn …

    • Offizieller Beitrag

    Schönes Interview. "Todesfrist" ist für alle Thrillerfans absolut empfehlenswert meiner Meinung nach. Ich habe mir mittlerweile zwei Bücher von Andreas Gruber signiert zuschicken lassen und habe ihn da durch den E-Mailverkehr als absolut netten und zuvorkommenden Mensch kennen gelernt. Respekt :thumbup:
    Hoffe er bringt noch viele gute Sachen zu Papier.

  • Mag Gruber sehr gern, bin aber nicht so der Kurzgeschichten-Freak und die Beschreibung hat mich nicht so angemacht.
    Aber wer weiß, dran versuchen werd ich mich auf alle Fälle, wenn vielleicht auch nicht gleich

    Ja jetzt bin ich nicht mehr wie früher
    aber das find' ich ganz okay
    denn ich hab' alles hinter mir gelassen
    was mich aufhält
    und jetzt bin ich nicht mehr wie früher
    ja, vielleicht wirkt das arrogant
    doch vielleicht haben wir uns all die Jahre
    nie wirklich gekannt.


  • Na ja Creed, zum Glück läßt sich über Geschmack nicht streiten :)
    Der Einzige, von dem ich Kurzgeschichten bis jetzt fast durchgängig gut fand, ist Bukowski

    Ja jetzt bin ich nicht mehr wie früher
    aber das find' ich ganz okay
    denn ich hab' alles hinter mir gelassen
    was mich aufhält
    und jetzt bin ich nicht mehr wie früher
    ja, vielleicht wirkt das arrogant
    doch vielleicht haben wir uns all die Jahre
    nie wirklich gekannt.


  • @ Virginy: Allerdings lese ich sehr selten Kurzgeschichtenbände in einem Stück durch...meistens werden die Storys von mir neben meiner Hauptlektüre gelesen. Manchmal sind (jedenfalls für mich) Kurzgeschichten ein guter Einstieg, um einen Schriftsteller (in diesem Fall Andreas Gruber) kennenzulernen... :)

  • Sagen wirs mal so, hätte ich mit Kings Kurzgeschichten angefangen, hätte ich wohl nix anderes von ihm gelesen, bei Bukowski wiederum hats funktioniert.
    Ich sag ja nicht, das ich Kurzgeschichten generell schlecht finde, bei den meisten Autoren gefallen mir allerdings die normalen Romane besser :)

    Ja jetzt bin ich nicht mehr wie früher
    aber das find' ich ganz okay
    denn ich hab' alles hinter mir gelassen
    was mich aufhält
    und jetzt bin ich nicht mehr wie früher
    ja, vielleicht wirkt das arrogant
    doch vielleicht haben wir uns all die Jahre
    nie wirklich gekannt.


  • Habe mir ja "Engelsmühlen" und "schwarze Dame" angeschafft.


    Ist ja der erste und zweite Teil mit Privatdetektiv Peter Hogart


    Sind das die einzigen zwei Bücher die mit diesem Detektiv spielen oder gibt es da noch mehr???? (auch in Englisch)


    Weiß das jemand ?