- Offizieller Beitrag
Im Gespräch mit Tim Curran
»Die Atmosphäre ist das Wichtigste«
von Christian Endres
Hallo Tim. Wie wurdest du zum Horror-Fan?
Als Kind mochte ich alles, was merkwürdig und ausgefallen war. Horrorcomics und Horrorfilme zogen mich magisch an. Gruselige und seltsame Dinge wurden für mich zur Sucht. Einige der stärksten Erinnerungen aus meiner Kindheit sind ältere Kids, die versuchen, mich mit entsetzlichen, furchtbaren Geschichten zu Tode zu erschrecken. Ich schätze also, dass ich schon in jungen Jahren traumatisiert wurde!
Du hast inzwischen mehr als ein Dutzend Romane veröffentlicht. Ist das Schreiben für dich nach wie vor ein Nebenjob?
Der Markt befindet sich in einem ständigen Auf und Ab, im Moment hänge ich also noch an meinem Brotjob. Gerade sind Zombie-Stoffe äußerst beliebt, doch irgendwann wird das Ganze implodieren. Alle Trends tun das früher oder später. Damit ich ein Fulltime-Autor werden könnte, müssten mir einige große Verlage richtig gutes Geld bezahlen oder ich müsste Filmrechte oder etwas in der Art verkaufen. Es müsste ein paarmal ordentlich in der Kasse klingeln.
Lovecraft ist auch im modernen Horror immer wieder ein Thema und du hast selbst dein Soll an Pastiches erfüllt. Gibt es vor jedem neuen Projekt den Moment, wo es sich für dich entscheidet, ob die Geschichte Bezüge zu Lovecraft haben wird?
Nein, ich denke nie bewusst an Lovecraft. Sobald ich den Plot vor Augen habe und alle Teile zusammengesetzt sind, weiß ich, ob es einen lovecraftschen Einschlag hat oder nicht. Trotzdem gibt es ein paar Kurzgeschichten, bei denen ich es bewusst darauf angelegt habe, dass sie nach Lovecraft klingen. Das ist meistens der Fall, wenn ich gefragt werde, etwas für eine Anthologie im Lovecraft-Style zu schreiben.
Deine Romane ZERFLEISCHT und VERSEUCHT haben hierzulande ziemlich polarisiert. Einige Leser fanden sie zu hart und grausam. Wie gehst du mit solcher Kritik um?
Mich interessiert jede Art von Kritik an dem, was ich tue, sowohl Pro als auch Kontra. Ich versuche nicht, das zu rechtfertigen, was ich mache. Ich schreibe, was ich schreiben möchte, und zwar so, wie ich es schreiben will. Täte ich das nicht, wäre ich mir selbst nicht treu und es wäre an der Zeit aufzuhören. Wenn man bestimmte Geschichten authentisch erzählen möchte, muss man explizit werden und dem Leser die hässliche Wahrheit unter die Nase reiben. Ich – oder jede andere Autor, wie ich hoffe – beschreibe nicht deshalb grausige oder verstörende Sachen, weil sie mich anturnen, sondern weil es das ist, was die Geschichte verlangt. Nehmen wir ZERFLEISCHT als Beispiel. Wie soll ich veranschaulichen, dass meine Figuren sich psychologisch gesehen immer weiter zurückentwickeln und immer primitiver werden, wenn ich sie und ihre gewalttätige Stammeslebensart nicht zeige? Kopfjagden, Kannibalismus und Vergewaltigung sind nötig. Diese Menschen haben sich mehr oder weniger 100.000 Jahre zu alt- und jungsteinzeitlichen Jägern und Sammlern zurückentwickelt. Solche Tätigkeiten waren für sie normal. Wenn ich sie wahrheitsgemäß darstelle, kann ich das nicht durch heutige kulturelle Moralvorstellungen bewerten oder zensieren. Die treffen einfach nicht zu.
Lässt dich harsche Kritik deine Art zu schreiben überdenken?
Niemals. Sie können kritisieren so viel sie wollen und sich vor der Wahrheit über das Menschsein verstecken, doch sie existiert weiterhin. Und sie werden mich nicht zum Schweigen bringen.