MELODIEN
ist jenes Buch von Helmut Krausser, was ich immer schon mal gesehen habe, als ich mich noch nicht mit dem Autor beschäftigte und durch dieses Forum auf ihn gestoßen wurde, ihn dann lieben lernte durch viele wunderbare Werke.. ja, man kennt die Geschichte.
"Melodien" ist eindeutig Kraussers bekanntestes Werk, besonders durch seine 2014 veröffentlichte Neufassung rückte es noch mal in den Vordergrund, ist nun wieder ganz bestimmt das Krausser-Buch, welches man in den meisten Buchläden (vielleicht neben dem immer allerneuesten) finden kann. Das eindrucksvollste Zitat auf dem Backcover der wunderschön-orangenfarbenen (aber das nur am Rande, Lieblingsfarben-Trigger :D) ist wohl das aus Reclams Romanlexikon, welches verlauten lässt: "Der Roman gehört zu den herausragenden Erzählwerken nicht nur seiner Generation, sondern der deutschsprachigen Erzählliteratur überhaupt!" Und auf dieses Zitat habe ich immer mal wieder beim Lesen dieses dicken Epos, dieses 800+-Mammutwerks geblickt, darüber nachgedacht.. und musste mit zunehmender Seitenzahl immer mehr zustimmen.
Ja, das hier ist ein Bombenroman. Das Konzept, der wunderbar verschlungene und verschlingende Aufbau, die erstaunliche sprachliche Gewandtheit (wobei ich mir nicht sicher bin, ob hier in der Neufassung nicht ein wenig geglättet wurde zumindest), alles umwerfend. Einzelne Passagen über die Kraft und Gewalt der perfektionierten Musik sind besonders bei mir hängen geblieben, und auch einige detaillierte wunderschöne Umschreibungen ganz einfacherer Abläufe im geschichtlichen Strang, schnell und fein und präzise gezeichnete Landschaftsbilder von immenser Wirkung, werden mir noch lange im Kopf bleiben. Man merkt dem Autor hier in jeder Zeile seinen Spaß an, Krausser liebt den Stoff und spinnt ihn sorgfältig und wunderschön und massiv aus..
Also noch mal: ja, das hier ist ein Bombenroman. Aber der beste Krausser war es für mich trotzdem nicht. Whaaaat? Dieses eine voll große wichtige Werk, was mal sein Klassiker werden wird, ja, jetzt schon sein moderner Klassiker ist? Echt jetzt?
Die Stärken der "Melodien" überwiegen natürlich, das Thema ist interessant, die Geschichte super konstruiert und der Stil makellos. Aber etwas, was sicher jedem noch so genialem 800+-Buch passiert, ist eben: das Problem der kleinen Längen. Sie sind minimal, aber sie sind da. Dieses Buch ist an so vielen Stellen perfekt, aber immer wieder gibt es schon einige Passagen und Geschichtchen, die den Zauber wenn nicht zerstören, dann zumindest leicht eindämmen und vom ständigen Erstrahlen über die gesamte Länge der Erzählung abhalten. Das ist schade.. aber auch wirklich unvermeidlich. Ich ziehe eigentlich meinen Hut davor, dass Krausser es geschafft, die unnötigen und uninteressanten Passagen so gering zu halten, denn nur das kann man bei einem Werk dieser Größe wirklich sagen; schon zu kommen mit dem Wunsch nach so vielen hundert fehlerfreien formvollendeten Seiten wäre dumm.
8/10, großes Buch, jetzt auch recht lange Rezi.. man sollte es gelesen haben, ich habe es sehr gerne gelesen und es hat mir sehr gut gefallen -- Krausser kann es aber noch ein bisschen besser, und das für mich in noch etwas kürzer. So.